Hamburg. Diese Bühnenfassung von Regisseur Martin Mühleis ist weit mehr als eine schlichte Lesung zweier prominenter Rezitatoren.

Von der ersten Minute taucht der Zuschauer tief ein in das Londoner Leben Mitte des 19. Jahrhunderts. In die klirrende Winterkälte, in die bittere Kinderarmut, in den Kampf um ein Stück Brot. 1843 erschien die „Weihnachtsgeschichte“, auf unnachahmliche Weise skizzierte Charles Dickens die damalige Not im Vereinigten Königreich.

Kann dieser mehrfach verfilmte Klassiker noch berühren? Und kann dies mit zwei Schauspielern, die so sehr mit ihren TV-Rollen verwachsen sind, gelingen? Seit 1991 ermitteln Miroslav Nemec als Ivo Batic und Udo Wachtveitl als Franz Leitmayr im Münchner „Tatort“. Wer am Mittwochabend die Laeiszhalle besuchte, weiß nun: Es kann gelingen. Es kann sogar grandios gelingen. Diese Bühnenfassung von Regisseur und Produzent Martin Mühleis ist weit mehr als eine schlichte Lesung zweier prominenter Rezitatoren. Es ist ein wunderbares Schauspiel.

Nemec spielt den alten miesepetrigen Geizkragen Ebenezer Scrooge hinreißend. Der knorrige Grantler beutet seinen Angestellten aus, gönnt ihm nicht mal wärmende Kohlen. Er hasst Weihnachten – und wandelt sich dann nach Erscheinen diverser Geister zu einem feinfühligen Wohltäter, der nicht nur die Familie seines Angestellten beglückt.

Laeiszhalle: Ovationen für die Weihnachtsgeschichte

Wachtveitl spukt durch Scrooges Nächte, klackert gekonnt mit seinem Kiefer – und spielt zudem all die Figuren, denen Scrooge bei seinen Trips in seine oft trostlose Vergangenheit wieder begegnet. Er wispert aufgeregt als Scrooges kleine Schwester, zeigt sich dann als verletzte Jugendliebe. Den Grat zwischen Rührung und Kitsch meistern die beiden Schauspieler dank ihrer handwerklichen Kunst. Mal schleichen sie über die Bühne, mal gruseln sie die Zuschauer, mal wagen sie ein ausgelassenes Tänzchen.

Begleitet werden die beiden von einem famosen Streicher-Quintett, das Engelflügel trägt. Die Musik und das nicht minder beeindruckende Lichtdesign machen die „Weihnachtsgeschichte“ zu einem Erlebnis, das noch lange nachklingt. Die Ovationen am Ende sind mehr als verdient.