Hamburg. “Notre Dame – Die Liebe ist eine Baustelle“ ist ein unterhaltsamer Stilmix – und ruft Erinnerungen wach. Zu sehen im Zeise Kino.
Es ist irgendetwas aus den Fugen geraten in diesem Paris, genauer: bei den Bewohnern dieser Stadt. Und nun kann es schon mal vorkommen, dass sich einander wildfremde Passanten im Vorübergehen plötzlich schallende Ohrfeigen verpassen.
Die junge Architektin Maud Crayon (Valérie Donzelli) zeigt sich regelmäßig schockiert davon – und hat es auch sonst überhaupt nicht leicht. Zu Hause wird sie ihren Ex nicht los, von dem sie sich emotional zwar längst losgesagt hat, der sich aber via Mitleidstour immer wieder in ihr Bett zu schleichen versteht. Und auf der Arbeit hat sie es nicht nur mit einem schmierig-autoritären Vorgesetzten (Samir Guesmi) zu tun, sondern auch mit einem Presslufthammer vor dem Fenster, der so starke Vibrationen verursacht, dass ihr die Unterlagen um die Ohren fliegen.
"Notre Dame": Charmanter Hybrid aus Stilmitteln
Und dann ist sie auch noch schwanger, und das in einem karrieretechnisch ziemlich ungünstigen Moment: Denn auf ziemlich magische Weise hat Maud mit dem reichlich phallischen Modell eines Spielplatzes den Wettbewerb um die Neugestaltung des Vorplatzes der Kathedrale Notre Dame gewonnen, der Etat liegt im sagenhaften dreistelligen Millionenbereich. Dass in dieser Situation auch noch ihre Jugendliebe auftaucht, macht das Chaos komplett.
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Hierzulande ist die Schauspielerin Valérie Donzelli erst einmal als Regisseurin in Erscheinung getreten, 2011 mit „Das Leben gehört uns“, einem Drama um ein Paar mit einem krebskranken Kind. Ihre zweite in Deutschland zu sehende Arbeit ist ein charmanter Hybrid aus verschiedenen Stilmitteln – da wird schon mal aus dem Off kommentiert, da werden ganze Handlungsabschnitte plötzlich im Theaterambiente abgespult, da gibt es auch eine erstaunliche Dichte guter Peniswitze, magischen Realismus und politische Satire: Die Bürgermeisterin (Isabelle Candelier) ist die Exaltiertheit in Person, speichelleckender Hofstaat inklusive. Und mittendrin die alleinerziehende, berufstätige Mutter, deren Universum vom Kollaps bedroht ist.
Dieser Film macht Freude und kann für seinen einzigen Wermutstropfen nichts: Er entstand vor dem Brand von Notre Dame im April 2019, an den man nun natürlich denken muss.
„Notre Dame – Die Liebe ist eine Baustelle“ 89 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Zeise