Hamburg. Beachtlich: Die Ausstellung „Close-up“ im Altonaer Museum blickt auf die 125 Jahre Film- und Kinogeschichte der Hansestadt zurück.

Sitzgruppen in warmem Holz, die Wände urig vertäfelt, in der Mitte eine Bar mit allerlei Spirituosen bestückt. Von irgendwoher dudelt eine Hafenromantikmelodie. St. Pauli kommt hier rübergeweht. Und das Gruseln gleich mit, denn die gemütlich anmutende Kneipe, die am Ende der Säulenhalle im Altonaer Museum aufgebaut ist, kommt einem eigenartig bekannt vor. Sie hat sich, ob über reale Erinnerung, Literatur-, Film- oder Theaterstoff, ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Fatih Akin ließ diese Kulisse für seinen Film „Der goldene Handschuh“ über den Hamburger Serienmörder Fritz Honka bauen. Sie ist das Entree zur Ausstellung „Close-up“, mit der das Museum 125 Jahre Film- und Kinogeschichte aus Hamburg beleuchtet.

Ein Kaleidoskop berühmter Filmszenen, die in Hamburg gedreht wurden, von „Große Freiheit Nr. 7“ bis „Absolute Giganten“, entführt die Besucher in die Welt bewegter Bilder und präsentiert die Stadt als inspirierende Kulisse für namhafte Produktionen, sei es die Köhlbrandbrücke im Musikfilm „Bandits“, Wilhelmsburg in „A Most Wanted Man“ oder der Hafen in „Soul Kitchen“.

Filmgeschichte Hamburg: "Close-up" blickt auf 125 Jahre zurück

Dass Hamburg aber auch mal London (der Edgar-Wallace-Klassiker „Die toten Augen von London“) oder Berlin („Der Hauptmann von Köpenick“) war, wird hier augenzwinkernd erzählt. Film als große Illusion, als Sehnsuchtsort, da darf auch mal geflunkert werden.

„Von St.-Pauli-Romantik bis St.- Pauli-Drastik“, so formuliert es Direktorin Anja Dauschek, „ist das, womit Hamburg als Filmstadt immer punkten konnte – bis heute.“ Darüber hinaus seien es ein schonungsloser Realismus und urbane Vielfalt, die die Filmschaffenden von hier ausmachten und -machen. Eben diese Vielfalt will die Ausstellung abbilden. Erzählt wird diese Geschichte chronologisch in fünf Kapiteln anhand von fünf Hamburger Kinos, in die die Besucher in verschiedenfarbig gestalteten Sälen eintauchen können. Und zwar ganz real, indem man sich auf Kinostühle vor die Leinwand setzt und von Filmausschnitten berieseln lässt. Eine charmante Idee der Gestalter. Und ein besonderes Highlight, findet Kuratorin Eva Hielscher, „weil somit auch die Geschichte der Kinos erzählt wird, die das gemeinschaftliche Filmerleben erst möglich machen“.

Dreh „Die toten Augen von London“.  
Dreh „Die toten Augen von London“.   © Staatsarchiv Hamburg/Contipress

Hamburgs erstes sesshaftes Kino war ein illegales Kneipenkino

Ab 1895 eroberten die bewegten Bilder Hamburg. Mit Knopf’s Lichtspielhaus am Spielbudenplatz 20 (dort, wo heute Docks und Prinzenbar firmieren) nahm das erste sesshafte Kino seinen Betrieb auf, mit Zuschauern vor und hinter der Leinwand. Wobei es eher ein illegales Kneipenkino war; darauf deutet eine Strafanzeige von 1901 hin, die gegen Eberhard Knopf wegen unerlaubter Vorführungen gestellt wurde. Die ersten eindeutig datierbaren Filmaufnahmen Deutschlands stammen aus Hamburg: Sie zeigen die Ankunft Kaiser Wilhelms am Dammtorbahnhof. Bei Hagenbeck wurden „Exotik-Filme“ gedreht, mit den Vera-Filmwerken gründete sich die erste Filmgesellschaft der Stadt.

Weiter geht es in den Ufa-Palast im Deutschlandhaus, dem mit 2665 Plätzen damals größten Kino Europas. In den 1920er-Jahren etablierte sich Film als Medium der Massenunterhaltung, um 1930 löste der Ton- den Stummfilm ab und wurde zunehmend für Propagandazwecke genutzt, in Form des proletarischen Historiendramas „Brüder“ von Werner Hochbaum oder Leni Riefen­stahls „Olympia“, dessen Premiere im Ufa-Palast stattfand.

„Mach dir ein paar schöne Stunden, geh ins Kino“

„Mach dir ein paar schöne Stunden, geh ins Kino“ lautete eine Werbung im zerstörten Deutschland. Als erster Nachkriegsfilm lief „Große Freiheit Nr. 7“ mit Hans Albers in der Hauptrolle. Die Filminhalte spiegelten die Zerrissenheit der Zeit: Trümmerfilme thematisierten die Folgen des Krieges, Heimat- und Revuefilme wie etwa „Die schöne Lügnerin“ mit Romy Schneider brachten eine Prise Unbeschwertheit in den Alltag. Neue Filmtheater wie das Savoy am Steindamm begeisterten mit luxuriöser Ausstattung und modernster Technik.

Mit der Ära des Abaton-Kinos begann auch die Zeit des künstlerischen, experimentellen und Autorenkinos in der Hansestadt, unterstützt von einer erstarkten Filmförderung. Es wurden Filmkreise an den Hochschulen gebildet, 1979 fand das erste Filmfest der Filmemacher statt. Filme von und auf der Straße („Rocker“ oder „Supermarkt“ mit Eva Mattes und einem Laiendarsteller in der Hauptrolle) wurden zum Prädikat des rauen Hamburg-Kinos, das seine geniale Fortführung im Schaffen von Fatih Akin („Kurz und schmerzlos“, „Soul Kitchen“, „Gegen die Wand“) fand.

Ausstellung Close-up zeigt die vielen Facetten der Filmstadt Hamburg

Womit die Ausstellung in der Gegenwart und den Altonaer Zeise Kinos angelangt ist, Akins „Wohnzimmer“. Kurzfilmfestival und Lesbisch-Schwule Filmtage, Multiplexe und kommunale Kinos, Protagonisten, die zwischen Verlorenheit und Ankommen pendeln, international ausgezeichnetes „Migranten“-Kino wie der Kurzfilm „Bambirak“ von Zamarin Wahdat – „die Vielfalt vor und hinter der Kamera heute steht stellvertretend für die urbane Gesellschaft“, so Anja Dauschek. Und die Ausstellung für die vielen Facetten, die die Filmstadt Hamburg zu bieten hat.

„Close-up. Hamburger Film- und Kinogeschichten“ 8.12.–18.7.2022, Altonaer Museum (S Altona), Museumstraße 23, Mo, Mi–Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Eintritt 8,50/5,- (erm.), www.shmh.de