Hamburg. Die Symphoniker Hamburg und ihr Chefdirigent Sylvain Cambreling hatten hohen Besuch in der Laeiszhalle. Über das Schumann-Konzert.
Das große romantische Klavierkonzert, bei dem eine Virtuosin wie Martha Argerich nicht alles dominiert und mit einschüchternder, begeisternder Gestaltungskraft prägt, muss wohl erst noch in irgendeinem Notenschrank gefunden werden. Wenige Monate nach ihrem Martha & Co-Festival der Symphoniker in der Laeiszhalle, für das sie einen großen Stapel Programm-Freifahrtscheine erhalten hatte, war sie wieder zurück in Hamburg, und diesmal sollte es dort, dirigiert von Sylvain Cambreling, das Schumann-Konzert sein.
Ein Konzert also, bei dem sie in hoher Konzentration alles bieten konnte, was ihre musikalische Besonderheit ausmacht: den eigenen, gereiften Blick auf die inneren Werte eines Stücks, das fehlende Interesse an übertriebenem Ein- oder Unterordnen, und natürlich ihre enormen klavieristischen Fähigkeiten, die sie anscheinend mühelos abrufen kann, auf jedem Schwierigkeitsgrad. Undenkbar, dass eine Martha Argerich je ins verunsicherte Trudeln kommen könnte.
Konzertkritik: Argerich ließ Kontakt nie abreißen
Während Argerich bei ihrem Auftritt am Sonntagvormittag schon ganz bei sich war (und es an den Chefdirigenten delegierte, ihr vom Orchester das sprichwörtliche Wasser reichen zu lassen), wurde der Abstand zwischen Solistin und Tutti erkennbarer. In den Mittelteilen der Ecksätze, in denen Schumann seine Themenverarbeitung immer versponnener verwirbelte und vorantrieb, spielte Argerich mit hochgespannter Gelassenheit brillant vor sich hin – und ließ die Begleitung ihre Begleitung dazusortieren. Aber, und das muss man gleichzeitig schaffen wollen, nie den Kontakt abreißen oder verblassen.
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Im Mittelsatz träumte sie grazil und sanft Schumanns Grübeleien hinterher, in den kadenzierenden Zielgeraden der Ecksätze deutete sie mit der majestätischen Routine einer Jahrhundert-Künstlerin an, wie viele beidhändige Reserven sie noch lässig parat hätte, falls ihr danach wäre. Alles in allem: eine alterswilde halbe Sternstunde, wieder einmal. Dankbarster Beifall, natürlich, ebenso.
Cambreling macht Sinfonie wuchtiger als notwendig
Die für Schumann – knapp eine Komponistengeneration später – angemessene Dichte brachte Schuberts „Große“ Sinfonie, mit der Cambreling weitermachte, allerdings in ein Dilemma. Anstatt dieses Stück zu erleichtern und tänzelnd schlank zu halten, überbetonte er durchgängig den schweren Knochenbau und machte sie so wuchtiger als notwendig. Um deswegen nicht ins Stocken zu kommen, zog er die Tempi energisch an, doch das half gegen den gewollten Gesamteindruck nur bedingt. Über weite Strecken klang diese Sinfonie dann doch schon wie Schumanns Nullte und nicht mehr wie Schuberts Letzte.