Hamburg. Starkes Staatsopern-Debüt des Startenors. Ein Abend mit intimer Atmosphäre, wäre da nicht dieser „Bravo“-Blöker gewesen.
Roberto Alagna brauchte ein bisschen, um so richtig warm zu werden. Nicht, dass der Start enttäuscht hätte, keineswegs. Der französisch-italienische Startenor begann seinen Soloabend in der Staatsoper – Auftakt einer neuen Reihe – mit vier Arien aus Barock und Klassik.
Dabei schuf er mit der Pianistin Morgane Fauchois-Prado eine erstaunlich intime Atmosphäre. Alagna sang und säuselte vor allem zarte Töne, mit geschlossenen Augen, nahm eine Strophe aus Pergolesis Ascanio-Arie ins Pianissimo zurück und demonstrierte, dass er nicht nur ein herausragender Sänger ist, sondern auch ein sensibler Musiker.
Erste Bravowellen für Roberto Alagna bei Donizettis „Adina credimi“
Und dennoch wirkte er da noch etwas hüftsteif. Gerade in Mozarts „Un'aura amorosa“, einer Hymne an die Liebe, blieb vieles zu eindimensional, zu gerade. Aber das änderte sich mit dem Schritt ins französische Repertoire. In Grétrys „Du moment qu’on aime“ ist der Tenor spürbar zu Hause, diese Musik hat er nicht nur in der Stimme, sondern auch im Körper.
Plötzlich löst sich was, Alagna agiert viel beweglicher, in seinen Gesten und der Gestaltung. Feinfingrig unterstützt von seiner Klavierpartnerin, kostet er die weichen Farben, Melodien und Zwischentöne aus. Auch bei der herzerweichenden Arie „Adina credimi“ aus Donizettis „Liebestrank“. Das Publikum reagiert, mit ersten Bravowellen. Und Alagna taut merklich auf. Er lächelt, wie ein schüchterner Junge, der merkt, dass er gemocht wird. Sympathisch.
Alagna wagt sich in Hamburg an Wagners Lohengrin
In der zweiten Hälfte dreht der Tenor den Regler weiter hoch, er steigert Dynamik und Intensität. Alagna wagt sich ins deutsche Fach, zu Wagners Lohengrin, den er 2018 in Bayreuth noch abgesagt und 2020 dann im Livestream aus der Berliner Staatsoper auf die Bühne gebracht hat. Beeindruckend, wie er der für ihn fremden Sprache nahekommt und seine hell leuchtende Klangfülle in den Saal strahlt. Nur die kleinen Schlenker, mit denen er manche Töne anschluchzt, klingen eher wagnerfremd.
Dafür wird sein Verdi-Moment zum Höhepunkt. Wie er als Otello am Eifersuchtsmord an Desdemona zerbricht und sich schließlich selbst erdolcht – das singt und durchlebt der Tenor mit packender Ausdruckskraft und, wenn nötig, mit einer Prise Stahl im Ton.
„Bravo“-Blöker zerstört die Stimmung
Da sind die ständigen Szenenwechsel des Arienprogramms kurz vergessen, weil Roberto Alagna eine Dramatik entfacht, der man sich kaum entziehen kann. Es sei denn, man möchte mit seinem „Bravo“ unbedingt als erster in die Stille blöken und die Stimmung zerstören. Aber davon ließ sich Alagna höchstens ganz kurz irritieren.
- Lang Lang - Turbo-Pianist auf dem Weg ins Innere der Musik
- Dieser Castorf ist gnadenlos, viel zu lang – und brillant
- „Neon“ - böser Spaß und Dokument der Hoffnungslosigkeit
- Ein „ganz, ganz goldiger“ Froschkönig mit feiner Ironie
Nach einem wunderbaren Zwischenspiel der Pianistin und zwei weniger bekannten Arien, beendete er sein starkes Staatsopern-Debüt am Schluss des Zugabenteils mit einem echten Tenor-Schlager: „O sole mio“, herrlich geschmachtet und geschmettert, und vom Publikum mit Luftküssen und stehenden Ovationen gefeiert.