Hamburg. Cellistin Sol Gabetta und Geigerin Patricia Kopatchinskaja mit einem maßgeschneiderten Duo-Programm in der Elbphilharmonie.

Da reist man wie wild durch die Musik-Welt, oft allein und im Stress, von einem Job nach Noten zum nächsten, manchmal geht es gut, manchmal höchstens lala. Ganz selten treffen zwei Unikate so passend aufeinander, dass daraus eine lebendige, atmende, fröhliche, risikoverliebte Einheit wird, die Kammermusik von ganzem Herzen spielt, einfach so.

Es läuft und fühlt sich wie die Vervollständigung des eigenen Ichs an, mit einer Person, die einen blind und hörend zugleich versteht. Die Cellistin Sol Gabetta aus Argentinien und die Geigerin Patricia Kopatchinskaja aus Moldawien sind im Laufe vieler Jahre zu einem unglaublich dynamischen Duo geworden.

Sol Gabetta und Patricia Kopatchinskaja in der Elbphilharmonie

Rund sechs Jahre haben sie an einem gemeinsamen Konzertprogramm gefeilt, haben Stück für Stück ausgesucht und ins Puzzle eingefügt, haben viel probiert und noch mehr verworfen; alles aufgenommen, wann immer Zeit dafür war. Viel Originales gibt es in den letzten 350 Jahren Musikgeschichte für ihre Instrumentenkombination eher nicht, aber einiges, das originell ist – und einige wenige Kompositionen, die rasend schwer sind.

Nun also, endlich, die große Tournee-Rundreise zu zweit. Und vielleicht war es der bezeichnendste Moment, als die Geigerin sich zur Cellistin im Großen Saal der Elbphilharmonie auf den Klavierhocker setzte, um zu zweit ein niedlich kleines, feines Tasteninstrument-Presto von Carl Philipp Emanuel Bach in die Stille des Raums zu zupfen, entspannt lächelnd.

Kabinettstückchen dieser Art gab es so einige in ihrem Programm, was nicht passte, hatten sie sich passend gemacht: ein Bach-Präludium aus dem „Wohltemperierten Klavier“, eine Scarlatti-Sonate, reizende Fingerübungen, das alles. Ungleich heftiger und anders wirkungsintensiv waren jene Werke, die tatsächlich betonten, wie viel Vielfalt aus diesen beiden Streichinstrumenten herauszuzaubern ist: Genial mit Pointen gewürtzte Späßchen wie Jörg Widmanns bierzeltiger Avantgarde-Klamauk „Valse bavaroise“ und seine „Toccatina all’i nglese“ mit ihren Anspielungen auf, no kidding: das James-Bond-Leitmotiv.

Die beiden größten Brocken lauerten am Ende der Programmhälften

Xenakis’ folkloristisch raffiniertes „Dhiphli Zya“ (1951), eine weitere großartige Kleinigkeit von Ligeti. Francisco Colls „Rizoma“ (2017), ein faszinierendes Klangfarbengeflecht, das sich vielschichtig schimmernd in die Höhe schraubte und wieder zu Boden sank. All das: toll, mitreißend, kurzweilig, hochspannend.

Doch die beiden größten Brocken lauerten jeweils am Ende der Programmhälften: Ravels Sonate, für die beiden ein virtuos ausgefochtener Nahkampf mit der tänzelnden Eleganz und den vielen Stimmungsumschwüngen, die Ravel hier abverlangt. Noch extremer, noch fordernder war Kodálys Duo op. 7, ein Panorama aus Motivflirren, Dialogen und Kontrasten, aus dem die beiden ein großes Drama formten.

Ein Zwei-Personen-Stück, das weit mehr war als ein Kammerspiel. Nie ein Spannungsabbruch, immer ganz auf den Moment konzentriert, frei von Ego-Duellen, hungrig nach Leben und nach Freiheit. Zwei Musikerinnen, ein Ereignis.

CDs: „Sol & Pat“ (alpha, ca. 13 Euro) / „Plaisirs Illuminés“ (alpha, ca. 19 Euro)