Hamburg. „Grande Attaque“ löst geschlechtliche Zuschreibungen auf, mit „Loyalty“ wird die Ballett-Tradition neu belebt.

Gleich zwei Tanzpremieren auf Kampnagel setzen interessante Wegmarken. Greta Granderath & Regina Rossi haben ihre Kräfte zu einer „Grande Attaque“ verbunden und vier starke Performerinnen und Performer für einen launigen Abend über Übertreibungen, Affekte und Hysterien versammelt.

Sehr selbstverständlich und erfrischend verweigert sich die Performance dabei geschlechtlichen Zuschreibungen, wenn etwa Aérea Negrot ihre opernhafte Stimme erhebt und mit den herrlich dekon­struierten technoiden Klängen von Alexan­dra Holtsch zu einem musikalischen Ereignis verbindet. Das schön grell aufgemachte Quartett bricht mal in etwas albernes Lachen aus, mal findet es zu exaltierten Gesten der Ekstase – und des Tanzes. Das ist ironisch, aber in seiner Künstlichkeit trotzdem berührend.

Ballett-Tradition wird auf Kampnagel neu belebt

Der Choreograf Adam Linder wiederum verfolgt in „Loyalty“ die Mission, die Ballett-Tradition neu zu beleben – ohne sie im zeitgenössischen Tanz aufzulösen. Der White-Cube-Bühnenraum verrät seine zweite Heimat in der bildenden Kunst. Mit einem fantastischen fünfköpfigen Ensemble kreiert er Bilder von Disziplin und Präzision, wenn etwa Louella May Hogan zeitlupenartig auf die Bühne gezogen wird.

Die Pirouetten knicken in diesem virtuosen ersten Part schon in der Vorbereitung ein. Die streng vertikale Achse löst sich auf. Nach einem eher performativen Mittelteil mit dem tollen Douglas Letheren findet das Ensemble im Finale zu Industrial-Orchesterklängen von Coil zu eindringlich eingefrorenen Tableaux vivants.

Greta Granderath & Regina Rossi: „Grande Attaque“ bis 17.10., jew. 19.30; Adam Linder: „Loyalty“ bis 17.10., jew. 20.30, Kampnagel, Jarrestraße 20–24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de