Hamburg. Einiges ist anders beim Auftritt des Ensemble Modern im Großen Saal. Musiker spielten „A House of Call“ von Heiner Goebbels.

Es ist nicht ausgemacht, was Vorgeplänkel und was Konzert ist. Eben hat sich noch eine Bratschistin allein auf ihren Platz inmitten leerer Stühle gesetzt und prestissimo ein paar Akkorde rausgehauen, vom Publikum kaum beachtet – so ist es halt, wenn sich Orchestermusiker einspielen, während die anderen allmählich eintrudeln. Erst als der Dirigent Vimbayi Kaziboni einen forte-Einsatz gibt, dämmert es einigen Hörern, dass die Aufführung schon begonnen haben könnte. Noch immer kommen weitere Musiker.

Einiges ist anders an diesem Abend im Großen Saal der Elbphilharmonie, als man das von einem handelsüblichen Sinfoniekonzert kennt. Das beginnt mit der Aufstellung: Statt sich um den Dirigenten in der Mitte zu gruppieren, sind die Streichergruppen alle hintereinander platziert, Kaziboni dirigiert von rechts. Um Konventionen hat sich das Ensemble Modern, eine führende Combo der zeitgenössischen Musik, noch nie geschert.

Elbphilharmonie: Musik von Heiner Goebbels

Zum Ensemble Modern Orchestra erweitert, spielen die Musiker an diesem Abend „A House of Call. My Imaginary Notebook“ von Heiner Goebbels. Uraufgeführt haben sie das Stück jüngst in Berlin, bestellt hat es eine ganze Traube von Auftraggebern, darunter das Ensemble selbst und auch die Elbphilharmonie.

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In 15 Abschnitten spürt Goebbels dem Phänomen der menschlichen Stimme nach, und zwar abgekoppelt von der dazugehörigen Person: Was nehmen wir von der Stimme wahr, wie stellen wir uns ihren unsichtbaren Träger vor, wie prägen sekundäre Informationen wie Störgeräusche das Hören? Goebbels hat in seinem „imaginären Notizbuch“ zahlreiche Stimm-Aufnahmen gesammelt, die früheste datiert aus dem Jahre 1906.

„A House of Call“ in der Elbphilharmonie

Sie werden vom Band eingespielt, darunter so unterschiedliche Zeugnisse wie der melancholische Sprechgesang zweier Georgier von 1916 oder der erschütternde Vortrag von Eichendorffs Gedicht „Die Wünschelrute“ durch die hörbar gebrechliche Mutter des Komponisten.

Das Orchester antwortet, nimmt den Sprechrhythmus auf und setzt ihn in Musik um, in oft verblüffenden Klangfarbenkombinationen. „A House of Call“ ist ansprechend zu hören, wenn auch mit gut eineinhalb Stunden ein wenig lang. Doch die ebenso zarten wie tiefen Eindrücke dieser Reise in die Welt der eigenen Vorstellung wirken nach.