Hamburg. Inszeniert und moderiert von Schmidt-Chef Corny Littmann erlebt die Schlager-Revue nach sieben Jahren eine turbulente Wiederaufnahme.
Auf der Reeperbahn ist wieder echtes musikalisches Leben eingekehrt - „That’s Alright Mama“! Ein Männerduo spielt an der Schnittstelle vor zwei Musikclubs mit Kontrabass und Gitarre Rock ’n’ Roll. Soweit die 50er. Gegenüber, am Spielbudenplatz, ist an diesem Mittwochabend der Schlager überaus präsent - „Buenos Dias Argentina!“
Die Aufnahme von Udo Jürgens und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zur missratenen WM 1978 im Land der damaligen Militär-Diktatur untermalt im Schmidt Theater das recht lange gastronomische Vorgeplänkel zur „Schmidtparade“. Fast wie in alten, Vor-Corona-Zeiten!?
Corny Littmanns Schmidtparade glänzt jetzt modern
Doch die Revue, die 2013 zum 25. Jubiläum des Schmidt Theaters herausgekommen war, glänzt nach sieben Jahren Spielpause in modernen Licht. Die „Schmidtparade“, damals als Geburtstagsgala mit den besten deutschen Hits der 60er, 70er und 80er (und mit zwei Pausen) aufgeführt, konzentriert sich nun in coronagerechten gut 90 Minuten pausenlos auf die Zeit der Pril-Blumen, langen Koteletten, Plateauschuhe, Schlaghosen, Mini-Kleidchen und Hot Pants sowie die der Dauer- und Föhnwellen, Schulterpolster und Leggins. Ohne die 60er leisten vier Darsteller das Gleiche wie ursprünglich sechs - mindestens.
Videoprojektionen begleiten ihre Darbietungen, der Chef indes ist bei der Wiederaufnahme-Premiere dieser spaßig-turbulenten Zeitreise derselbe: Corny Littmann inszeniert und präsentiert die Schlager-Revue, und sogar bei ihm wirken die Anzüge aus den 70ern und 80ern (im weißen Miami-Vice-Look mit cooler Sonnenbrille) ansehnlicher als anno dazumal.
Jessica Rühle feiert Schmidt-Debüt in Hamburg
Gleich drei Kostümbildner haben ganze Arbeit geleistet, ebenso wie Choreografin Stefanie Schwendy. Sie lassen Benjamin Eberling, Josefine Nickel, Christian Petru und Jessica Rühle - sie feiert ihr persönliches Schmidt-Debüt - trotz diverser Kostümwechsel und optischer Geschmacksverirrungen leichtfüßig über die Schmidt-Bühne tänzeln.
Vom Mädchen-Medley inklusive der vom „singenden Reetdach“ Bata Ilic einst „Mikkkaela“ gerufenen Holden über das Spanien-Medley mit dem Abstecher zur „Fiesta Mexicana“ bis zum Reise-Medley mit den „Fahrenden Musikanten“ reicht dieser Trip - „La-la-la-la“. Dank der Arrangements von Markus Voigt klingen selbst NDW-Hits aus den frühen 80ern teilweise erträglicher als früher - „Der Skandal im Sperrbezirk“ ist heute ja keinen Aufreger mehr wert.
Littmann droht Darstellern mit „Kurzarbeit“
Zwischen Musik und Tanz reiht sich immer mal wieder ein Sketch mit Parodien auf frühere Werbe-Spots (Lenor, Jacobs) oder auf Peter Maffays „Es war Sommer“, in dem Eberling und Petru als Hamburgs singende Antwort auf Dick und Doof gefallen. Besser tanzen als Littmann können sie ohnehin, der Regisseur und Schauspieler lässt sich aber weder als Unterwäsche-Model noch als schnauzbärtiger griechischer Wirt Costas vom Mitwirken abhalten.
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„Sonst gibt es wieder Kurzarbeit!“, droht der Theaterchef selbstironisch den Darstellern. „Der letzte Sirtaki“ ist für Littmann, auf der Bühne immer gut für einige Schwulen-Witze, noch nicht getanzt, doch wenn bald der smarte Robin Brosch oder Bühnen-Vollweib Carolin Spieß den Job des Moderators übernehmen, dürfte die „Schmidtparade“ gewiss noch mal ein paar andere neue Noten bekommen.
Schmidtparade als Ersatz für den Schlagermove?
Einen Ersatz für Sangesfreunde, die nach der erneuten Absage des Hamburger Schlagermoves, Entzugserscheinungen in Sachen deutsches Liedgut haben, bietet die Revue so oder noch bis zum Frühherbst.
„Schmidtparade“ bis 2.10., Mi-So, jew. 20.00, Schmidt Theater (U St. Pauli), Spielbudenplatz 24/25, Karten ab 26,- unter T. 31 77 77 99; www.tivoli.de