Hamburg. Firma Weischer.Media produziert Filme, die in den Lichtspielhäusern im Vorprogramm laufen – und hat jetzt wieder reichlich Aufträge.
Etliche Branchen haben derzeit ein Problem, das den Wiederaufschwung nach der Corona-Krise massiv bremst: Materialmangel. Beim Neustart der Kinos hingegen ist das ganz anders. „Noch nie in der jüngeren Kinogeschichte war die Pipeline mit Kino-Highlights so gefüllt wie in diesem zweiten Halbjahr“, sagt Florian Weischer. Er ist Geschäftsführer und Mitinhaber von Weischer.Media, dem nach eigenen Angaben marktführenden Kinowerbevermarkter in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Unternehmen hat aktuell 309 Beschäftigte, rund 80 Prozent davon am Hauptsitz in Hamburg.
Zu den Publikumsmagneten, die sich aufgestaut haben, gehören der Actionfilm „Fast & Furious 9“ (Start 15. Juli), der Science-Fiction-Streifen „Dune“ (16. September), der neue „James Bond -- Keine Zeit zu Sterben“ (30. September) sowie „Top Gun – Maverick“ (18. November), die späte Fortsetzung des 80er-Jahre-Kultfilms. Die Vorfreude auf die Wiederöffnung der Lichtspielhäuser war jedenfalls sehr groß, wie Weischer sagt: „Wir verzeichnen so viele Zugriffe auf die Internetseiten der Kinos wie zu besten Zeiten vor der Pandemie.“
Werbegeschäft läuft wieder an
Damit läuft auch das Werbegeschäft wieder an: „Es kommen jeden Tag nennenswerte Aufträge bei uns herein“ – zum Beispiel von MediaMarkt Saturn, Nike, den Sparkassen, der Deutschen Telekom oder Vorwerk. Weischers Firma liefert den Kinos den kompletten Vorfilm einschließlich der Trailer für kommende Filme – heute natürlich digital: „Wir haben im Jahr 2013 die letzte Filmrolle verschickt.“
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Neben Konzernen etwa aus der Auto- ober der Versicherungsbranche gehört auch eine Vielzahl von regionalen Händlern oder lokalen Betrieben zu den Auftraggebern, wie Weischer erklärt: „Wir sind auf 3890 der deutschlandweit rund 4300 Kinoleinwände präsent.“ Aus seiner Sicht hat er ein für Werbetreibende attraktives Publikum: „Unter den Kinogängern sind viele Menschen mit Anspruch.“
Kinowerbung mit einem Volumen von rund 160 Millionen Euro
Zwar macht die Kinowerbung mit einem Volumen von rund 160 Millionen Euro (2019) gerade einmal ungefähr 0,5 Prozent des gesamten Werbemarktes in Deutschland aus, das Fernsehen hat hier die Nase weit vorn. „Man geht aber davon aus, dass die Wirksamkeit von Kinowerbung um den Faktor drei bis fünf höher ist als die von TV-Werbespots“, so Weischer.
Zudem könne die Fernsehwerbung immer nur „Kontaktwahrscheinlichkeiten“ verkaufen, während sich die Preise für die Werbung im Kino nach den tatsächlich für den jeweiligen Film und Saal verkauften Tickets berechnen: „Das ist die sicherste Währung, die die Medienlandschaft vorzuweisen hat.“ Auf dieser Basis könne ein 30-Sekunden-Spot vor dem neuen „Bond“-Spektakel rund 300.000 Euro kosten.
Unterschiedliche Regeln für die Bundesländer
Zum Geschäft von Weischer.Media gehört es, für die Planung der Kampagnen die Zuschauerzahlen neuer Filme vorab zu schätzen. „Das ist so ein kleiner Wettbewerb um die treffsicherste Prognose zwischen uns, den Verleihern und den Kinobetreibern – und wir liegen eigentlich immer vorn“, sagt Weischer. So erwarten seine Experten zum Beispiel für „Fast & Furious 9“ mehr als zwei Millionen Kinobesucher, dem neuen „Bond“ traut man mindestens 3,5 Millionen zu. Selten liege sein Unternehmen so krass daneben wie bei der französischen Komödie „Ziemlich beste Freunde“: Die Schätzung lag bei 1,2 Millionen Zuschauern, tatsächlich wurden es 13 Millionen: „Den haben wir voll verpasst.“
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Zwar gelten für den Neustart der Kinos je nach Bundesland unterschiedliche Regel. So benötigen die Besucher in Hamburg einen negativen Corona-Test oder den Nachweis einer vollständigen Impfung, in Mecklenburg-Vorpommern aber nicht. In einigen Bundesländern muss um jeden besetzten Platz ein Abstand von 1,50 Metern frei gehalten werden, wodurch nur weniger als die Hälfte der Sitzplätze buchbar sind.
Pionierarbeit für die Wiederöffnung
„Ganz wichtig für die Kinobetreiber ist aber, dass die Maske am Platz abgenommen werden darf, um etwas zu trinken oder Popcorn zu essen“, sagt Weischer. Er ist der Politik in Schleswig-Holstein dankbar, die mit einem Modellversuch Pionierarbeit für die Wiederöffnung geleistet habe. „Es hat ja bisher auch keine einzige nachgewiesene Covid-19-Infektion durch einen Kinobesuch gegeben“, sagt der Unternehmer.
Er hat die Hoffnung, trotz der Auflagen im zweiten Halbjahr 2021 an das Geschäftsvolumen des entsprechenden Zeitraums 2019 herankommen zu können. Im vorigen Jahr musste Weischer.Media einen Umsatzeinbruch von mehr als 75 Prozent hinnehmen: „Das war der GAU. Wir sind ganz tief in die roten Zahlen gerutscht.“
Firma konnte Rücklagen aufbauen
Zum Glück habe die Firma in der zehnjährigen Wachstumsphase zuvor Rücklagen aufbauen können: „Weil wir ein Familienbetrieb sind, ist das Geld im Unternehmen geblieben.“ Auch wenn Kurzarbeit und andere Corona-Hilfen in Anspruch genommen wurden, sei der Abbau von rund 40 Arbeitsplätzen seit März 2020 nicht zu verhindern gewesen.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
„Die Staatshilfen werden wir in wenigen Jahren über die Steuern zurückzahlen können“, ist Weischer überzeugt. Auch wenn die Pandemie den so genannten Streaming-Diensten wie Netflix zusätzliche Kunden gebracht haben dürfte, glaubt er fest an die Zukunft des Kinos. Weischer verweist dazu auf die Erfahrungen aus den zurückliegenden Jahrzehnten: „Erst kam das Privatfernsehen, dann Video, die DVD, Video-on-Demand – und immer hat man uns den Untergang des Kinos prophezeit.“ Tatsächlich seien die Besucherzahlen der Kinos über die vergangenen 20 Jahre recht konstant geblieben.
Kino-Produktionskette durch Corona nicht unterbrochen
„Auch mit den Streamingdiensten werden wir gut klarkommen“, so Weischer, zumal sie sich nicht in erster Linie auf Spielfilme konzentrierten, sondern auf Serien und Dokumentationen: „Unsere wirkliche Konkurrenz sind eher Konzerte oder das Theater – Unterhaltungsangebote, für die man aus dem Haus geht.“
An neuen, attraktiven Kinofilmen wird es jedenfalls nach Einschätzung von Weischer bis weit ins nächste Jahr hinein nicht mangeln: „Die Produktionskette ist durch Corona nicht unterbrochen worden.“ Dreharbeiten seien auch während der Pandemie weitergegangen – trotz strenger Hygieneregeln: „Ich bin gespannt, ob uns das dann auf der Leinwand auffällt. Volle Restaurants werden wir in den Filmen wohl nicht sehen – oder wenn doch, dann mit per Computer hinzugefügten Gästen.“