Hamburg. Das Ensemble Resonanz spielte ein Konzert im Kleinen Saal mit sehr unterschiedlichen Hälften. Schräge Klänge gab es auch.

Politische Musik zu schreiben, ist eine heikle Sache. Weil die Botschaft darin allzu leicht alle anderen Aspekte übertönt. Diese Gefahr droht auch dem Stück „Whistle-Blower“ von Iris ter Schiphorst, uraufgeführt vom Blockflötisten Jeremias Schwarzer und dem Ensemble Resonanz unter Leitung von Peter Rundel.

Der Solist sitzt auf einem Podium im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, bewaffnet mit mehreren Flöten und Headset. Er legt bereits los, als das Orchester noch zu stimmen scheint. Wir ahnen schon: Aha, eine(r) gegen alle. Jeremias Schwarzer bläst, pfeift, blubbert, spricht und sabbert unter Hochdruck in seine Instrumente, wie ein Einzelkämpfer, der verzweifelt seine Nachricht durchbringen will. Mit allen Mitteln, auch elektronisch verstärkt und verzerrt.

Orchester in Hamburg in der Übermacht

Aber er rennt gegen eine Wand. Das Orchester ist in der Übermacht, es bekämpft ihn mit Sprechchören und fiesen Streichersägesounds, wie aus Hitchcocks „Psycho“ importiert. Mord liegt in der Luft. Wer Geheimnisse verrät, schwebt in Lebensgefahr.

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Das Stück ist vom realen Fall der Whistleblowerin Chelsea Manning inspiriert, die der Plattform WikiLeaks geheime Belege für US-amerikanische Kriegsverbrechen zugespielt hatte und deshalb in den USA lange als Staatsfeind Nummer eins galt. Schwarzer zitiert Aussagen von ihr; knacksende Funksprüche erinnern an die Einsätze des Militärs.

Elbphilharmonie: Kaum Platz für Ambivalenzen

Das wirkt stellenweise fast wie eine Hörspiel-Collage. Ein Problem, denn wenn der Bezug zur Realität so konkret einkomponiert ist, bleibt kaum noch Raum für Geheimnisse, für jene Zwischentöne und Ambivalenzen, die ein Kunstwerk ausmachen und von der dokumentarischen Annäherung abheben.

Wie fantasievoll man sich von vorgegebenen Themen inspirieren lassen kann, hatte die erste Hälfte des Konzerts offenbart. Bachs h-Moll-Suite belebt die Muster französischer Tanzsätze mit einer Fülle an Ideen und kitzelte damit die Spielfreude des Ensemble Resonanz. Geführt vom Querflötisten Alexis Kossenko, musizierte das Kammerorchester hellwach, transparent und spritzig, langte aber auch mal derb in die Saiten. Ein Höhepunkt des Abends, ebenso wie das Doppelkonzert von Telemann: mit Quer- und Blockflöte als gleichberechtigte Partner, die sich duellieren und hinterherjagen, die zusammen herumtollen oder verliebt miteinander säuseln.