Hamburg. Die Hamburgische Staatsoper, Philharmoniker und Hamburg Ballett haben ihre Vorhaben für die kommende Saison vorgestellt.

Die letzte Saison-Vorschau von Staatsoper, Ballett und Philharmonikern fand auf der Bühne statt – mit Panorama-Blick in den leeren Saal als ungewolltes, fatales Omen auf die Monate, die kommen sollten. Nun aber, fast eine Pandemie später, hatte sich die Blickrichtung geändert: Wer die Pressekonferenz besuchte, hatte die Bühne als Sehnsuchtsort wieder direkt vor Augen. Es soll wieder losgehen, unbedingt, aber vorsichtig.

Jeder der drei Chefs hatte für den bisherigen und zukünftigen Umgang mit der Pandemie einen Sinnspruch parat: Ballett-Intendant John Neumeier hat seiner Saison das Motto „Zurück in die Zukunft“ gegeben; Generalmusikdirektor Kent Nagano sprach für sich und das Orchester: „Wir fühlen besonderen Durst, besondere Bereitheit.“ Und Opern-Intendant Georges Delnon zitierte als dritter Hausherr zur Begrüßung mal eben Jacques Derrida: „Verantwortung beginnt genau dann, wenn man keine Gewissheit mehr hat.“

Spektakuläre Premieren in Hamburg

Das komplexe Termin-Rangieren im Opernbereich sorgt dafür, dass nicht alle Premieren der nächsten Spielzeit komplette Überraschungen sein werden. Den Beginn jedoch macht am 4. September die Neuinszenierung von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“, inszeniert von Daniele Finzi Pasca und prominent besetzt: Die drei Frauenrollen singt Olga Peretyatko, für die nach ihrer Zeit im hiesigen Opernstudio das Durchstarten in eine große Karriere vor dem Tor zur Welt begann.

Wird singen: Olga Peretyatko.
Wird singen: Olga Peretyatko. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Unbekannt

Für die Titelpartie wurde der französische Tenor Benjamin Bernheim engagiert, seine Haus-Premiere, endlich. Für Mozarts „Entführung“ (Premiere: 17.10.) kehrt Adam Fischer zurück, der bereits den von Regisseur Jan Bosse konzeptionell verstolperten „Don Govanni“ dirigiert hatte, diesen Mozart inszeniert aber Paul-Georg Dittrich, den Bassa Selim gibt Burghart Klaußner.

Danach beginnt eine Phase mit Repertoire-Déjà-vus: Donizettis „Lucia di Lammermoor“ wird im Oktober erstmals vor Publikum im Saal gezeigt. Auch für Strauss‘ „Elektra“ war der erste Premieren-Termin pandemiebedingt geplatzt. Dmitri Tcherniakovs Version wird nun am 28. November zu sehen sein, für alle Fälle wird eine schaumgebremste Version des riesigen Orchester-Apparats arrangiert, in tragenden Rollen sind Violeta Urmana als Klytäm­nestra und Ausrine Stundyte als Elektra angesagt, Kent Nagano dirigiert. Frisch im Sortiment: Puccinis „Turandot“ (13. März), mit Anna Smirnova in der Titelrolle, inszeniert von Yona Kim und dirigiert von Giacomo Sagripanti.

Beachtliche Opern-Besetzung in Hamburg

Nachdem Strauss‘ „Fledermaus“ bislang nur als Radio-Konzert im Angebot war, soll sie im Dezember auf der Bühne sichtbar sein. Für die Neuinszenierung von Wagners „Tannhäuser“ (24. April) mit Nagano als Dirigent hat Delnon als Regisseur Kornél Mundruzcó verpflichtet, den man hier bislang eher aus dem Thalia-Umfeld kannte. Der Cast ist oberhalb von beachtlich, darunter Klaus Florian Vogt als Tannhäuser, Georg Zeppenfeld als Landgraf und Tanja Ariane Baumgartner als Venus.

Letzte Premiere im Großen Haus wird Doni-zettis „Don Pasquale“ im Mai, mit Ambrogio Maestri – Star in Calixto Bieitos „Falstaff“ – in der Titelpartie, in der Regie von David Bösch, der damit nach der „Manon“ und der virtuellen „Weißen Rose“-Verfilmung schon seinen dritten Regie-Auftrag erhielt. Spezial-Premiere auf dem Elbphilharmonie-Vorplatz im Rahmen des Kultursommers ist die Ein-Personen-Kurzoper „Playing Trump“, inszeniert von Delnon (20. August).

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Neumeiers Ballett wird mit einem ganz großen Aufschlag, einem der großen Klassiker, auch in Neumeiers eigenem Werkkatalog, beginnen: Ein Remake, eine Neubetrachtung von „Dornröschen“ soll es am 19. Dezember sein, wie anno 1978 in einem Bühnenbild von Jürgen Rose. Als zweite Neuproduktion ist Christopher Wheeldons Interpretation von Shakespeares „The Winter’s Tale“ angesetzt (19. Juni), Delibes‘ „Sylvia“ ist als erste Wiederaufnahme geplant, als zweite kehrt der Rummel-Rabauke „Liliom“ in den Spielplan zurück. Gastspiele nach Baden-Baden, Los Angeles und Südfrankreich stehen an, die Neumeier-Maschinerie kommt wieder auf Touren.

Ambitioniert und ungewöhnlich: der Plan eines Projekts namens „Die Unsichtbaren“, das ähnlich wie die Dokumentation „Verstummte Stimmen“ im Opern-Bereich aufklärendes Licht ins Dunkel des Tanzes während der NS-Zeit bringen will. Es soll eine spartenübergreifende Forschungs-Arbeit werden, mit dem Bundesjugendballett im Mittelpunkt, erweitert durch eine Begleitausstellung im Ernst Deutsch Theater.

Wann Nagano in Hamburg startet

Für Kent Nagano und sein Orchester startet die Spielzeit auf dem Rathausmarkt (14./15.8.). In den Abo-Konzertprogrammen wird es den zweiten Anlauf zu Mahlers 3. Sinfonie geben, die beim ersten Mal durch Corona ausgebremst wurde. Personalintensiver ist Jörg Widmanns XXL-Oratorium „ARCHE“. Kurz vor dem 5. Geburtstag der Elbphilharmonie im Januar soll das Stück, mit dem Nagano 2017 sein Haus-Debüt am Elbufer gab, erneut gestemmt werden.

Wird geehrt: Alfred Brendel.
Wird geehrt: Alfred Brendel. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Unbekannt

Im Rahmen der Akademiekonzerte steht Anfang September eine ausführliche Gratulation zum 90. Geburtstag der Pianisten-Legende Alfred Brendel an. Da er sich selbst den Solisten-Ruhestand verordnet hat, wird er als „Mentor“ zugegen sein und auch bei Meisterklassen Jüngere auf Proben stellen. Das regulärere Spielplan-Sortiment wartet u.a. mit dem Geiger Gidon Kremer zum Saisonbeginn auf.

Es folgen einige klassische Standard-Kombinationen: Haydn mit Mozart und Beethoven; Mendelssohn und Schumann; Brahms und Bruckner. Im Silvesterkonzert kombiniert Nagano Varèses „Ionisation“ mit Bachs „Kunst der Fuge“ und Brahms-Chorwerken, im März Schostakowitschs „Babi Jar“-Sinfonie mit Beethovens Chorfantasie.