Hamburg. Die stark veränderte Fassung des Klassikers spielt in einem Casino. Stark gesungen und gespielt, aber nicht jede Szene geht auf.

Pech im Spiel, kein Glück in der Liebe: So lautet die Botschaft von Verdis „La Traviata“ – zumindest in der neuen Produktion des Opernlofts. Inspiriert vom Kartenspiel im zweiten Akt, verlegt Regisseurin und Intendantin Inken Rahardt ihre Version komplett ins Ambiente eines Casinos. Schon im Foyer bekommen die Besucher Jetons in die Hand gedrückt und dürfen sich warmwürfeln; der Innenraum ist von drei rotlichtrot bezogenen Spieltischen dominiert, an denen die Zuschauer ihre Einsätze platzieren. Poker, Black Jack und Roulette, alles in der Hand von Violetta Valery und ihrer Freundin Flora. Sie sind die leicht bunnymäßigen Chefinnen und Croupières des Casinos, mit roten Fliegen und Glitzerwesten; Alfredo wird ihr bester Kunde und deshalb später zum Problem.

Inken Rahardt nutzt dieses Setting für eine über weite Strecken sehr lebendige Inszenierung. Die opernübliche Distanz zwischen Szene und Publikum ist hier vollkommen aufgehoben. Die Darsteller singen und spielen einem direkt vor der Nase und buchstäblich zum Greifen nah, da gibt es viel zu sehen und zu hören. Zu Beginn der zweiten Hälfte wird der große Roulette-Tisch zur Bühne, hier lässt Rahardt einen männlichen Stripper strippen und den Streit zwischen Alfredo und Violetta eskalieren: Wie in der Original-Traviata, pfeffert er ihr wutentbrannt Geldscheine ins Gesicht – aber nicht, weil sie eine Kurtisane war, sondern weil er ihre Hilfe hasst. Nicht Eifer-, sondern Spielsucht hat ihn im Griff.

Die Neuübersetzung der Texte überreizt das Casino-Thema

Um die Geschichte in diese Richtung zu lenken, muss die Regisseurin einiges zurecht biegen. Und das hat seinen Preis. Die Rolle von Germont, Alfredos Vater, ist ganz gestrichen und teilweise in die Partie der Flora integriert. Damit wird das Stück einer tieferen Männerstimme beraubt und thematisch eingeengt. Flora kocht vor Zorn, als Violetta sie und das Casino für Alfredo verlassen will. Das geht nicht gut aus. Und das liest sich auch nicht immer schön. Die an die Rückwand projizierte Neuübersetzung der Texte überreizt das Casino-Thema und den Jugendsprachjargon mehr als einmal. Wenn Flora ihre Freundin mit den Worten „Heul hier nicht rum“ anzickt, in einem Duett, das es so bei Verdi gar nicht gibt, dann fragt man sich schon mal, inwieweit das noch im Sinne der Oper sein mag.

Aber die dramatische Wucht und der Zauber der Musik entfalten trotzdem ihre Wirkung. Ljuban Zivanovic bewältigt die sackschwere Partie des Alfredo beeindruckend stabil, Pauline Gonthier erfüllt die erweiterte Rolle der Flora mit warmem Timbre. Und Freja Sandkamm ist eine ebenso charismatische wie stimmlich flexible Violetta, die Leuchtkraft und Sinnlichkeit vereint. Souverän geführt und zusammen gehalten wird das Geschehen wieder von der musikalischen Leiterin Makiko Eguchi am Flügel, deren Kammerarrangement der Partitur den Klang des Klaviers mit zwei Holzbläsern und Schlagzeug mischt.

„La Traviata“ weitere Termine ab 7.12., Opernloft, Van-der-Smissen-Straße 4; www.opernloft.de