Hamburg. Große Gefühle auf kleiner Bühne: Im Opernloft ist Mozarts “Don Giovanni“ als Kurzversion zu erleben.

Bevor am 20. Oktober eine Neuproduktion des „Don Giovanni“ an der Hamburger Staatsoper Premiere feiert, gibt es im Opernloft derzeit den etwas anderen Blick auf Mozarts Geschichte eines ziemlich skrupellosen Frauenverführers. Und so viel sei vorweggenommen: Der letzte Satz, „Niemand erinnert sich an uns“, den die vier Darsteller hier singen, trifft gewiss nicht zu. Dazu ist das von etwa 165 auf 90 Minuten eingedampfte Stück dann doch zu kurzweilig inszeniert.

Das Opernloft ist inzwischen bekannt für erheiternde, moderne und eben deutlich verkürzte Fassungen von beliebten Klassikern der Opernliteratur, sei es nun Puccinis „Tosca“, Wagners „Der Ring des Nibelungen“ oder eben jetzt Mozarts „Don Giovanni“. Dabei fällt das Bühnenbild im aktuellen Fall eher minimalistisch aus: Vier Kästen und zwei Kabinen werden von den Darstellern mal als Rückzugsort, mal als Podium genutzt. Im Zentrum steht ein Schredder, mit dem immer wieder die Masken der Sängerinnen und Sängern zerteilt werden.

Klavier und Akkordeon ersetzen das Orchester

Bei der Straffung des Stoffes muss natürlich auf manches aus dem Original verzichtet werden: Bei der Suche nach den Kontrapunkten zwischen den Polen menschlicher Gefühle setzt Regisseurin Kerstin Steeb auf Arien und Duette, in denen große Gefühle (Leidenschaft!) im Mittelpunkt stehen. Dazu braucht es nicht unbedingt ein klanggewaltiges Orchester, wie sich im Opernloft zeigt. Die musikalische Leiterin Amy Brinkmann-Davis am Klavier und Krzysztof Gediga am Akkordeon begleiten die Arien sehr effektiv als Duo.

Die zentrale Fragestellung der Aufführung: Gilt Don Giovanni heute als erotisches Genie? Oder doch eher als unmoralischer Antiheld? Bariton Lukas Anton setzte diesen Zwiespalt stimmlich und darstellerisch wunderbar um. Ebenfalls sehr sehens- und hörenswert: Bariton Ren Fukase als Leporello. Auch die Sopranistinnen Marie Sophie Richter und Marie Audrey Schatz sind als Zerlina und Elvira ein Vergnügen. Stark herausgearbeitet ist in dieser Inszenierung der Zwiespalt zwischen dem Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit in der heutigen Zeit einerseits und Zwängen der Gesellschaft und dem Chaos der Gefühle andererseits.

Mozartfans sind ganz nah dran

Herrlich lässt sich über all die Absurditäten lachen, humorvoll sind vor allem die gesprochenen Texte, die den Bezug zum Hier und Heute herstellen. Mozartfans können in den bekannten Arien schwelgen und – das Opernloft ist bekanntlich viel kleiner als ein richtiges Opernhaus – den vier exzellenten, jungen Stimmen aus nächster Nähe lauschen. Kurios: Während der Pause mischen sich die Darsteller unters Publikum, und Don Giovanni macht sich sogleich daran, seine Liste mit Eroberungen zu verlängern ...

Vor knapp einem Jahr hat das vor 17 Jahren gegründete Opernloft eine neue Heimat im ehemaligen England-Fährterminal in Altona gefunden. Auch diese aktuelle Inszenierung zeigt: Hier ist für jeden, ob Neuling oder ausgewiesener Opernkenner, etwas dabei.

„Don Giovanni“, nächste Vorstellungen 10./11.10., jeweils 19.30 und 15./16.11., jeweils 19.30, Opernloft im Alten Fährterminal, Van-der-Smissen-Str. 4, Karten zu 26 bis 44 Euro unter www.opernloft.de