Hamburg. Augustin Hadelich feiert in der Elbphilharmonie einen traumhaften Einstand. Zuvor war sein Name nur Kennern der Szene bekannt.
Es ist erstaunlich, wie sehr der Atlantik die westlich-klassische Welt immer noch in zwei Sphären teilt. Künstler, die man hierzulande kaum kennt, sind in den USA in aller Munde und umgekehrt. Der Amerikaner Alan Gilbert tut als neuer Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters das Seine dazu, die Teile zu einem Ganzen zusammenwachsen zu lassen. So hat er zum Amtsantritt als „Associate Artist“ den Geiger Augustin Hadelich mitgebracht. Der wuchs als Sohn deutscher Eltern in Italien auf, lebt seit vielen Jahren in New York und hat sich als Solist in den USA längst durchgesetzt. In Deutschland dagegen sagt sein Name bislang nur Kennern der Szene etwas.
Mit seinem Debüt in der Elbphilharmonie hat er nun klargemacht, dass sich das ändern sollte. Dem zweiten Violinkonzert von Bartók spürte er mit seiner Stradivari „Ex-Kiesewetter“ in jeden Winkel und um jede Wegbiegung nach – und das sind einige. Bartók präsentiert in dem Werk ein ganzes Kaleidoskop an Charakteren und Stimmungen und nimmt sich stilistisch, was er gerade brauchen kann, vom Volkston bis zur Zwölftonreihe, die bei der Entstehung des Werks Ende der 30er-Jahre noch nicht den Stempel der klassischen Moderne trug.
Augustin Hadelich erzählt mit seiner Geige Geschichten
Hadelich musizierte mit dem Orchester, anstatt sich in den Vordergrund zu drängen. Er beteiligte sich an den von Gilbert souverän koordinierten rhythmisch verzwickten Spielchen mit Blech und Schlagzeug, er erzählte Geschichten, meisterte die vielen unregelmäßigen Läufe wie nebenher und ließ die Kantilenen in jener schmerzlichen Süße aufblühen, in der Bartóks Wissen um den Zustand der Welt bewahrt ist.
Als Zugabe spielte er eine Bearbeitung von Francisco Tárregas „Recuerdos de Alhambra“, eine schlichte Melodie, umschwirrt von einem raffinierten imitierten Gitarren-Tremolo. Mäuschenstill war es im Saal; jeder, wirklich jeder wollte wissen, was der Mann mit seiner Geige im zartesten Pianissimo zu sagen hatte.
Gespür für dynamische Nuancen bewies auch Gilbert. Multifunktionstaugliches Mezzoforte gibt es nicht bei ihm. Schon vor dem ersten Ton, in der geradezu zärtlichen Bewegung, mit der er den Geigen den Einsatz zu Bruckners Siebter gab, beschwor er die lyrische Stimmung des Kopfthemas. Er dirigierte auch keinen mathematisch-strengen Bruckner, sondern ließ die Musiker das Stück in kräftigen Farben ausmalen. Die Intonation des Bläsersatzes geriet gelegentlich aus den Fugen. Aber es überwog das Atmosphärische, ganz besonders natürlich im langsamen Satz mit den vier Wagner-Tuben. Wunderbar rund, dunkel und homogen klangen die vier Instrumente: eine Totenklage Bruckners für den verehrten Wagner, der während der Entstehung der Siebten starb.