Hamburg. Im Sprechwerk geht es um Übergriffigkeit und die MeToo-Bewegung. Die beiden Darstellerinnen liefern eine beeindruckende Leistung ab.
„MeToo nervt!“ Ein Satz, der auf mehreren Ebenen richtig ist: Natürlich nervt eine gegen Übergriffigkeit gerichtete Bewegung jene Männer, die sich ihres gewohnten Rechts zum Übergriff beraubt fühlen. Aber auch die Aktivistinnen wollen nerven – wenn man auf Sichtbarkeit drängt, gehört ein gewisser Nervfaktor einfach dazu. Weswegen „MeToo nervt!“ auch auf den Plakaten zu Denise Stellmanns Stück „Bodyrule“ im Sprechwerk prangt: Der Satz schillert, und um ein schillerndes Thema geht es Stellmann.
Ein Fernsehstudio. In der Talkshow von Maureen Lest ist Lila Marai zu Gast, eine junge Frau, die von ihrem Chef bedrängt wurde und mit dieser Erfahrung an die Öffentlichkeit ging. Lest versucht, Marai zu provozieren: Führt ein Distanzverlust unweigerlich zum Missbrauch? Was ist Missbrauch überhaupt? Und wo liegt die Grenze zum Flirt?
Cosma Dujat gibt Lest als kalte Provokateurin
Die Sympathien sind dabei klar verteilt: Christina Fliether spielt Marai als Frau, die sich aus einer traumatischen Erfahrung die Souveränität zurückerkämpft hat und der man deswegen eine gewisse Überambitioniertheit verzeiht, Cosma Dujat gibt Lest als kalte Provokateurin mit spitzlippiger Anne-Will-haftigkeit. Nicht ohne grobe Verkürzungen: Als die Talkmasterin an einer Stelle den Missbrauch zu relativieren versucht, zeigt sie ein Video des AfD-nahen Youtubers Hagen Grell.
Daran krankt „Bodyrule“ ein wenig: Die Gegner sind Schießbudenfiguren. Und das, wo die harten Themen auf der Hand liegen würden – dass das Missbrauchsopfer sich nicht mit einem „Bis hierher und nicht weiter!“ wehrt, hat auch damit zu tun, dass man das bei seinem Chef tunlichst unterlassen sollte, wenn man seinen Job mag. MeToo stellt im Grunde Machtfragen, aber „Bodyrule“ bleibt bei der Frage stehen, ob das Geschehen juristisch eine Vergewaltigung gewesen sei.
Immerhin sorgen Fliether und Dujat dafür, dass das von der Autorin selbst inszenierte Thesenstück auch über zweieinhalb Stunden spannend bleibt. Zwei Schauspielerinnen steigen gegeneinander in den Ring und liefern da eine beeindruckende Leistung ab, das ist schon was.
Und über Macht reden wir dann das nächste Mal.
„Bodyrule“ wieder am Sonnabend, 12.10., 20 Uhr, Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 32, Tickets unter 60 65 05 05, www.sprechwerk.hamburg