Hamburg. „Leonce und Lena“ trägt im Sprechwerk nicht über den gesamten Abend und wird zum halbstimmigen Mitmachtheater.
König Peter will seinen Sohn Leonce mit Prinzessin Lena verheiraten. Leonce aber ist ein Nihilist, der sich nichts aus Staatsräson macht; er flieht nach Italien, wo er auf die ebenfalls vor der Ehe geflohene Lena trifft. Und sich unerkannt in sie verliebt.
Die Handlung interessierte schon Georg Büchner kaum an seinem Lustspiel „Leonce und Lena“. Das 1836 entstandene Stück ist vielmehr eine Dekonstruktion der Komödie, deren Grundstruktur zwar noch erkennbar bleibt, inhaltlich aber zu einer Satire auf den Feudalismus der deutschen Kleinstaaten im 19. Jahrhundert wurde.
Verhipsterte Schluffis
Aron H. Matthiasson hat für seine „Leonce und Lena“-Inszenierung im Hamburger Sprechwerk Büchners Vorlage noch einmal dekonstruiert: Übrig bleiben bei ihm ausschließlich die beiden Titelfiguren, die von Christoph Plöhn und Alina Gitt als verhipsterte Schluffis gespielt werden, die auf die Selbstoptimierungsgesellschaft schauen wie das Kaninchen auf die Schlange.
„Wenn es mit der Liebe nicht klappt, sollen wir uns auf die Karriere konzentrieren“, weiß Plöhns Leonce. „Weil die nicht morgens neben uns aufwacht und sagt, dass sie uns nicht mehr liebt.“ Ach! Was für ein ödes Leben! Nein, mal ehrlich: Diese Langeweile ist doch nicht zum Aushalten.
Kluges Meta-Theater
Indem Matthiasson das selbst schon ironische Stück konsequent weiter ironisiert, ist freilich bald gar kein Büchner mehr übrig, sondern nur noch doppelter Boden. Die Vorlage taucht ausschließlich als Strichfassung auf, die immer wieder umgeschmissen, hinterfragt, diskutiert wird. Das ist zwar kluges Meta-Theater, dreht sich aber bald nur noch um sich selbst und implodiert schließlich in Plöhns „Ach, macht euren Scheiß doch alleine!“-Ausbruch.
Für eine knappe Stunde selbstbezüglichen Instagram-Büchner reicht dieses Konzept, dann aber versucht Matthiasson, die Handlung zu einem Ende zu bringen und dreht die Inszenierung in ein nur halb stimmiges Mitmachtheater.
Was zwar irgendwie noch die Hochzeit von Leonce und Lena erzählt, dem Abend aber nicht guttut. Dennoch: Matthiasson, der am Sprechwerk vor zwei Jahren mit Falk Richters „Electronic City“ auf sich aufmerksam machte, erweist sich hier als Künstler, der das in der freien Szene oft stiefmütterlich behandelte Genre des auf dramatischen Texten basierenden Regietheaters auf seine ganz eigene Weise angeht.
Spannende Kunst bleibt es
Dass das nicht bis ins Letzte funktioniert, ist dabei lässlich: Spannende Kunst darf auch mal gegen eine Wand laufen. Und bei „Leonce und Lena“ steht diese wenigstens erst kurz vor Schluss im Weg.