Hamburg. Die Uraufführung des Romans „Was man von hier aus sehen kann“ mit Gilla Cremer ist warmherzig, aber sie zieht sich.

Das Okapi ist ein merkwürdiges Tier. Irgendwie anrührend, irgendwie seltsam proportioniert, irgendwie skurril, irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes. Glück bringt es auch nicht, jedenfalls nicht in Mariana Lekys Roman „Was man von hier aus sehen kann“, den das Theater Unikate nun als Uraufführung auf die Bühne der Hamburger Kammerspiele bringt. Vielleicht ist es darum im Grunde ein ganz gutes Maskottchen für diesen Abend. Der ist ebenfalls durchaus anrührend, hat Momente skurriler Komik, ist aber auch seltsam proportioniert und kann sich vor allem nicht so recht entscheiden, was genau er sein möchte. Eine Inszenierung? Dafür ist es zu wenig. Eine szenische Lesung? Dafür ist es zu viel.

Gilla Cremer ist anfangs sehr angestrengt

„Wenn es sowas wie ein Okapi gibt, ist alles möglich“, heißt es zu Beginn und das klingt zunächst vielversprechend. Es gibt eine Menge solcher Sätze in dem Roman, der etwas Märchenhaftes hat und von einem kleinen Dorf erzählt, in dem die Großmutter Selma und ihre Enkelin Luise und noch ein paar eigenwillige Charaktere leben. Wenn Selma von einem Okapi träumt, was gelegentlich vorkommt, dann stirbt jemand, so eine Art Dorf ist es und so eine Art von Geschichte auch. Die Schauspielerin Gilla Cremer liebt dieses Buch sehr, das spürt man.

Womöglich ist das das Problem. Gemeinsam mit Rolf Claussen übernimmt sie in der Regie von Dominik Günther alle Rollen – wobei: die beiden spielen die Figuren nicht aus, sie deuten sie an, sie erzählen, sehr frontal, viel an der Bühnenrampe, mit großer Ernsthaftigkeit. Und leider passiert das überdeutlich, bedeutungsschwer, vor allem Gilla Cremer ist anfangs sehr angestrengt. Fast wie im Kindertheater wirkt das, oder wie ein erweitertes Hörspiel. Die patente Selma, die eine ausgesprochene Vorliebe für Kirschschnapspralinen hat, der Optiker, der Selma seine Verehrung nicht gestehen kann. Es geht um Sehnsucht und um unerfüllte Liebe.

Im Laufe der Zeit entsteht mehr Leichtigkeit

Ein paar schöne Beobachtungen hält der Stoff bereit, dass Ja-Sagen nicht dasselbe ist wie Nicht-Nein-Sagen zum Beispiel. Einige einfache Partyklappbänke werden mal zum fahrenden Zug, aus dem Luises Kindergartenfreund fällt und stirbt, mal zur engen Zweizimmerwohnung, in die Luise als junge Frau einzieht. Die Welt nimmt ihren Lauf und das kann traurig sein.

Die Inszenierung vermittelt durchaus die zarte Poesie des Romans, im Laufe der Zeit werden auch die Schauspieler gelöster, mehr Leichtigkeit entsteht und immer wieder auch eine leise, unaufdringliche Komik. Der Abend ist warmherzig, aber er zieht sich, obwohl er gar nicht so lang ist. Er funktioniert einfach nicht.

Auf dem Nachhauseweg googelt man „Okapi“ und wundert sich.

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