Hamburg. Das Privattheater bringt 2019/20 auch den Kino-Hit auf die Bühne. Neuer künstlerischer Leiter ist Sewan Latchinian.
Das Ritual war in den vergangenen Jahren stets dasselbe:: Intendant Axel Schneider und Chefdramaturgin Anja Del Caro luden an einem Vormittag – mal im Frühsommer, mal im Spätsommer – in den Künstlertreff der Kammerspiele. Dort stellten beide das Programm für die jeweils neue Spielzeit des Traditionstheaters in Rotherbaum vor. 2019/20 aber ist es Zeit für eine Neubesetzung: Und damit ist nicht nur die 300.000 Euro teure Neubestuhlung des 412-Plätze-Saals gemeint, die an diesem Sonntag bei einer Benefiz-Gala mit der Sängerin Love Newkirk und weiteren Musikern gefeiert wird. Die Kulturbehörde finanziert die Hälfte der Kosten, für den Rest haben sich außer Kammerspiele-Inhaber Jürgen Hunke bisher gut 50 Förderer und Stuhlpaten gefunden.
Bei der Vorstellung des künftigen Programms saß am Freitag auch erstmals Sewan Latchinian zwischen Schneider, seit 2003 Chef der Kammerspiele. und Anja Del Caro. Der neue Künstlerische Leiter, der sein Amt offiziell am 1. September antritt, habe laut Multi-Intendant Schneider (Altonaer und Harburger Theater, Theater Haus im Park, Kammerspiele) bereits „neue Impulse“ gesetzt. Zusammen hat das Trio bereits bis Herbst 2020 die Stücke ausgewählt.
„Wie wollen wir leben, gegenwärtig und auch künftig“
„Die Frage über allem ist: Wie wollen wir leben, gegenwärtig und auch künftig“, beschrieb Latchinian den roten Faden dieser Spielzeit. Von der ersten Premiere am 5. September waren aus dem Logensaal, der kleinen Bühne im Untergeschoss, bereits lauten Probentöne zu hören. Schauspielerin Gilla Cremer stellt mit ihrem Theater Unikate erstmals eine Co-Produktion mit den Kammerspielen auf die Bühne: Ihre Adaption von Mariana Lekys Bestseller-Roman „Was man von hier aus sehen kann“ ist gleich zum Saisonstart eine Uraufführung.
Am 24. Oktober inszeniert Latchinian „Ich bin nicht Rappaport heraus“. Herb Gardners Komödie um einen fast 80-jährigen Juden und ähnlich alten Schwarzen, die sich auf einer Parkbank in New York eher widerwillig gegen den Rest der Welt verbünden, stand in Hamburg zuletzt vor drei Jahrzehnten auf dem Spielplan, damals im Thalia Theater. „Für mich ist es ein Stück zur Zeit, wenn es um Menschen mit Anstand und Empathie geht und gegen Trampeligkeit“, sagte der Ex-Intendant des Volkstheaters Rostock. Der an den Kammerspielen bestens bekannte Peter Bause („Place of Birth: Bergen-Belsen“) und Pierre Sanoussi-Bliss spielen.
Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung
„Eine verhängnisvolle Äffäre“ ist am 26. Januar 2020 dann eine deutschsprachige Erstaufführung. James Dearden, 1987 Drehbauchautor des Thrillers mit Glenn Close und Michael Douglas, schrieb auch die Theaterversion. Diedeutshe Fassung von Mirco Vogelsang inszeniert Christian Nickel („Die Jungs im Hersbt“) mit Alexandra Kamp und Simon Licht als „ein packendes Kammerspiel“, so Anja Del Caro.
„Ein rasantes Kammerspiel“ ist für Latchinian auch „Die Reißleine“ (Premiere: 26.4.). Für das Stück um zwei alte Frauen, die jedes Klischee konterkarieren, steht zwar bisher weder die Besetzung noch die Regie fest, jedoch betonte Latchinian: „Es geht uns nicht um Promis.“ Vielmehr gehen die Kammerspiele für „Die Reißleine“ eine Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung ein, die sich an den Produktionskosten beteiligt. Auch für die Extra-Premiere „Glück in 90 Minuten“ (Uraufführung: 24.9.)– eine Revue mit Workshop-Charakter von Jan-Christof Scheibe – hat sich mit dem Institut für persönliche Bildung ein neuartiger Partner gefunden.
70 Prozent Auslastung in der vergangenen Spielzeit
Außer weiteren Neuerungen wie einem Heine-Abend Latchinians im Logensaal gibt es eine Wiederaufnahme des berührenden Monologs „Marias Testament“ mit Nicole Heesters. Auch dafür wird die Schauspielerin am 9. Oktober die Ehrenmitgliedschaft der Hamburger Volksbühne e.V. verliehen.
Latchinian und Del Caro haben indes für August 2020 „Once“, eine romantische Bühnenfassung des Films um zwei Straßenmusiker, geplant. Zudem im Herbst Philipp Löhle „Die Mitwisser“ und danach den Klassiker „Stella“ von Goethes.
Für die vergangene Spielzeit habe sich laut Schneider die Auslastung mit 70 Prozent „weiter stabilisiert“. Zu 270 Vorstellungen kamen 80.000 Besucher.
Benefiz-Konzert Love Newkirk & Friends So 1.9., 19.00, Karten 100,- (75,- für den Stuhl), Kammerspiele, Hartungstr. 9-11, Programm: www.hamburger-kammerspiele.de