Hamburg. Beeindruckende Klangmassen mit Mendelssohn und Berlioz. Nagano dirigiert die Philharmoniker – und ein Dutzend lokaler Chöre.

Den kulturpolitischen Zweitnamen „Ein Haus für alle“ hat Generalmusikdirektor Kent Nagano bei der Planung seiner „Philharmonischen Akademie“ in diesem Herbst ziemlich wörtlich genommen: Für das Auftakt-Konzert am Sonnabend hatte er ein Dutzend lokale Chöre eingeladen, um nach Widmanns „ARCHE“, Mahlers Achter und Schönbergs „Gurre-Liedern“ ein weiteres Extraschwergewicht aus dem Katalog der Fast-Unspielbarkeiten in die Elbphilharmonie zu wuchten.

Nagano mag diese Brocken, das straffzügelige Organisieren und Beherrschen von ihren Klangmassen liegt ihm, mitunter mehr als das Polieren von Details. Und für die An- und Einbindung örtlicher Musikinteressierter kann man sich nur sehr wenig Motivierenderes vorstellen als einen Auftritt im Herzen der Elbphilharmonie. In diesem Fall waren es gleich drei Termine, da etwa 500 Sängerinnen und Sänger auf dem ersten Rang unterzubringen waren (kaum noch Platz für all deren Freunde, Bekannte, Verwandte also). „Es gibt nichts Schöneres und Bewegenderes als in großer Gemeinschaft Musik zu machen“, sagte Nagano über die Projekt-Beweggründe.

Eine klassische Hamburgensie

Die Zutaten für das XXXL-Konzert: Berlioz’ monumental besetztes „Te Deum“, denn wir haben immerhin noch Jubiläums-Jahr; und davor, zum Warmwerden, geradezu in Kammerbesetzung Felix Mendelssohn Bartholdys dramatisch aufgebauschte Goethe-Vertonung „Die erste Walpurgisnacht“. Eine klassische Hamburgensie also beim philharmonischen Heimspiel und zwei sehr spezielle Werke, die Nagano mit klugem Sicherheitsabstand zum bloßen Spektakeln anging.

Den Erzählfluss, mit dem die Musik von den heidnischen Druiden erzählte, die ungestört von Christen ihr Frühlingsfest feiern wollen, bekam Nagano schnell in Gang und kitzelte aus dem Orchester immer wieder diese feinen Stellchen heraus, in denen Mendelssohn es sommernachsträumen oder vorahnend freischützen ließ. Die Chöre hatten viel Vergnügen, bei den drei Solo-Stimmen hinterließ Annika Schlichts Alt den eindringlichsten Eindruck.

Tosender Applaus am Ende

Danach wurde es voll im Rund und oft laut und mitunter sehr laut. Bei seinem „Te Deum“ ging Berlioz gern den Weg des größtmöglichen Effekts. Nach den fünf Donnerhall-Akkorden von Tutti und Orgel, die Tote aufwecken könnten, folgte ein Chorwerk, das in seinen Ausmaßen Berlioz’ Ego entsprach. Und auch hier gelang es Nagano, das Ganze in der Spur zu halten, immer wieder Ruhezonen des Innehaltens zu finden und auskosten zu lassen. Tosender Applaus, natürlich, und Hunderte selige Hamburgerinnen und Hamburger.

Das Mendelssohn/Berlioz-Konzert wird am Montag (20 Uhr), wiederholt. Am 27.8. findet ein Kammerkonzert u.a. mit Musik von Monteverdi, Gesualdo und Mendelssohn im Kl. Saal statt (19.30 Uhr). Finale am 31.8.: das „Rathausmarkt Open Air“ (20 Uhr, Eintritt frei), u.a. mit Brahms’ 1. und Gershwins „Rhapsody in Blue“