Hamburg. Auch Greta Thunberg ist Thema: Mojib Latif kümmert sich auf Kampnagel um das Klima, die Kunst um Familie und Robotermenschen.
Es dauert nicht einmal eine halbe Minute, bis ihr Name fällt. Die junge Schwedin Greta Thunberg ist natürlich auch beim Internationalen Sommerfestival der Grund, warum es auf Kampnagel nicht allein um die Kunst geht, sondern immer wieder um das Klima – und damit um alles. Um das, was vom Planeten übrig bleibt, wenn wir nicht anfangen, uns weniger um Greta zu kümmern als um das, worauf sie unermüdlich hinweist.
„Wir haben noch ein Zeitfenster, aber es schließt sich“, erklärt Mojib Latif. Der in Hamburg geborene Leiter der Maritimen Meteorologie am Kieler GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung zählt zu den bekanntesten Klimaforschern Deutschlands. Dass der Klimawandel zu den „größten Herausforderungen der Menschheit“ gehört, wiederholt er auch an diesem Abend ohne Umschweife. Im Rahmen der Bucerius Summer School on Global Governance – hier treffen sich künftige Führungskräfte und mögliche Spitzendiplomaten aus der ganzen Welt – hält Latif einen (für jeden offenen) Vortrag, den der 64-Jährige so oder ähnlich schon oft hielt – das Thema der Erderwärmung ist nicht neu. Das
Level der Diskussion schon. Und die Dringlichkeit erst recht.
"Wir haben ein Umsetzungsproblem“
Die Ozeane sind überfischt, der Regenwald brennt. „Wie wir den Planeten nutzen, muss neu gedacht werden“, fordert Latif. Anhand von Computersimulationen zeigt er auf, wie sich der Anstieg von Temperatur und Meeresspiegel auf die Lebensräume von Mensch und Tier auswirken wird – wenn es so weitergeht. Allein in Deutschland liege die CO2-Emission bei jährlich zehn Tonnen pro Kopf. „Wir haben kein Kenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.“
Ein Junge aus der ersten Reihe, höchstens elf Jahre alt, hat den Worten des Wissenschaftlers (wegen des internationalen Publikums: auf Englisch) gelauscht und will nun wissen (ebenfalls souverän auf Englisch), was er beitragen könne. Auf Fleisch verzichte er, in den Schulpausen gebe es kein anderes Thema. Gut so, er solle nun auch seine Eltern überzeugen, rät Mojib Latif und lächelt. Nicht herablassend, sondern ermutigend. Hinter ihm prangt ein Zitat von Albert Einstein: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Bleibt zu hoffen, dass auch die künftigen Führungskräfte genau zugehört haben.
Vom Klima zur Kunst
Nicht ganz einfach ist es, sich nur wenig später wieder auf die Kunst zu konzentrieren. Bei Ursula Martinez’ „Family Outing“ und im Projekt „Uncanny Valley“ von Rimini Protokoll und dem Schriftsteller Thomas Melle allerdings spielen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsperspektiven ebenfalls eine entscheidende Rolle. Zunächst lädt die britische Stand-up-Diva Martinez ihre Mutter auf die Bühne. Um sich zu erinnern. Was einfach klingt, wird hier zur Herausforderung, die beide mit feinem Humor und großer Wärme würdevoll meistern: Mama Martinez wird dement. Das passende Zitat liefert diesmal Bette Davis: „Alt werden ist nichts für Feiglinge.“
Das gilt auch für den Autor Thomas Melle, der seine bipolare Störung schon im Roman „Die Welt im Rücken“ öffentlich machte und zugleich in Kunst verwandelte. „Es brauchte die größte Künstlichkeit, um authentisch zu sein“, gesteht er – oder vielmehr: gesteht sein androides Alter Ego. Denn das, was da in der Performance des Kollektivs Rimini Protokoll auf der Bühne sitzt, sieht zwar aus wie Melle und spricht auch so, ist aber ein Roboter. Eine Maschine, die Empathie triggert, mit leisem, spöttischem Witz und Wehmut.
Der Umgang mit dem Klimawandel, der Blick auf die Familie, die Beziehung zwischen Mensch und Maschine – das ist vielleicht das Schöne am Sommerfestival: Überall lauert eine Inspiration.