Hamburg. Die Künstlerin hat auf Kampnagel Spaß am Obszönen und liefert eine prächtige, im Grunde aber eher konventionelle Rockshow ab.

Okay. „There’s Only One Peach With The Hole In The Middle“, das Bühnenstück der kanadischen Elektromusikerin Peaches, wird vom Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel als Theater angekündigt, tatsächlich ist der zweistündige Abend jedoch: ein Konzert. Aber was für eines! Peaches, die seit langem in Berlin lebt, spielt häufig in Hamburg, allerdings noch nie so: mit großer Band, Streichquartett, Bläsersektion, Backgroundsängerinnen. Mit unzähligen Tänzerinnen, die die Bühne in den besten Momenten des Abends als orgiastisch zuckende Körpermasse fluten. Mit Lichtharfe. Mit der Akrobatin Empress Stah, die am Trapez kreist und dabei einen Laser aus ihrer Vulva strahlen lässt. Wow.

Vor fast auf den Tag genau 19 Jahren veröffentlichte die damals 33-jährige Merrill Beth Nisker das erste Album unter ihrem Künstlernamen: „The Teaches Of Peaches“, trockener, rauer Electroclash mit Texten, die sich explizit um Sex drehten. Die Zeile „There’s Only One Peach …“ entstammt dem hier enthaltenen Song „Diddle My Skittle“, der Abend ist also eine Rückschau: ein Blick darauf, wie sich die Veränderungen im Geschlechterverhältnis der vergangenen Jahrzehnte in Peaches’ Songs abbilden, ein Best-of-Konzert, das Queerness, selbstbestimmte Sexualität, Spaß am Obszönen und zunehmend auch den alternden Körper als Lustquelle feiert. Immerhin: 2000 hätte man es noch mit Stirnrunzeln quittiert, wenn eine 52-Jährige einen Song als Ode an ihr Geschlechtsteil ankündigt; dass „Vaginoplasty“ jetzt problemlos durchgeht, ist auch Peaches’ Pionierarbeit zu verdanken.

Allerdings dehnt der Abend zwar die Grenzen dessen, was im Popkonzert zeigbar ist, im Grunde bleibt er aber Konvention. Das Laute, das Überdrehte, auch die Feier der eigenen Großartigkeit, die Peaches einst dem HipHop geklaut hat, wirkt seltsam schal, gerade weil die Künstlerin aktuell mit „Whose Jizz Is This?“ eine Ausstellung im Kunstverein zeigt, die inhaltlich und ästhetisch weitaus schärfer und politischer gedacht ist als diese Bühnenperformance, die dann doch nur im simulierten Cunnilingus zwischen den Tänzerinnen kulminiert.

„Rock Show!“ röhrte Peaches in einem alten, hier nicht gespielten Song, „You Came To See A Rock Show!“ Das ist es, was einem „There’s Only One Peach …“ gibt: eine Rock Show, wie sie phantasievoller, sexier, musikalisch spannender kaum sein kann. Die aber bei Licht betrachtet dann doch nur die Selbstfeier einer Künstlerin ist, die ihr Ding seit Jahrzehnten durchzieht. Mit Sex, mit Selbstermächtigung. Und zur Verdeutlichung dessen sind ziemlich viele (halb-)nackte Menschen auf der Bühne. Wobei, eigentlich sind nur die Tänzerinnen nackt; Peaches selbst darf ihre Brustwarzen mit Nipplepads bedecken. Soviel zur utopischen Kraft der Sexualität als großer Gleichmacherin: „Shake Yer Dix! Shake Yer Tits!“, rappt die Zeremonienmeisterin. Und die Tänzerinnen shaken.

„There’s Only One Peach With The Hole In The Middle“ wieder am Sonnabend, 17. 8., 21 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20, Tickets unter 27094949, www.kampnagel.de