Bayreuth. Exzellente Besetzung begeisterte vor der Kulisse von Rosa Loy und Neo Rauch. Ein Ereignis war das Dirigat von Christian Thielemann.

Der Bayreuther Lohengrin dürfte die bisher einzige Wagner-Oper sein, die auf dem Grünen Hügel in einem Gemälde gespielt wird. Auch im zweiten Jahr bezaubert die blaue Kulisse des Leipziger Maler-Ehepaares Rosa Loy und Neo Rauch das Festspielpublikum. Die Probleme mit der Personenführung bleiben hingegen bestehen, dadurch entstehen im zweiten Akt durchaus Längen.

Aber dieser Lohengrin ist vor allem ein Sängerfest, ein Triumph für den Tenor Klaus Florian Vogt und den Attendorner Bass Georg Zeppenfeld. Der Jubel will kein Ende nehmen; höchstens zwei oder drei Buhrufe für das Regieteam zeigen, dass kulinarische Inszenierungen ihren Platz im Publikumsherzen finden.

Eine Trafostation inmitten einer wildromantischen Landschaft verrät: Hier prallen zwei Systeme aufeinander. Die Einwohner Brabants sind Motten, sie werden gerade zwangsweise von König Heinrich und seinen Soldaten elektrifiziert, das erklärt die aggressive Stimmung. Neuzeit trifft auf Mittelalter, eine neue Führungsschicht, der Elsa angehört, verdrängt die eingesessene Elite mit Ortrud und Telramund. In diesem explosiven Gemisch landet Lohengrin mit seinem Elektroblitz wie ein Alien von den Sternen, ein Kosmonaut aus der Zukunft, der als Retter erscheint, in Wahrheit aber selbst erlösungsbedürftig ist. Denn er braucht dringend eine Frau.

Ein Sängerfest bei den Bayreuther Festspielen

Die nun folgende bekannte Intrige rund um das „Nie sollst Du mich befragen“ wird von Regisseur Yuval Sharon am Text entlang erzählt. Rosa Loy und Neo Rauch haben ihren gemalten Horizont so eng gestaltet, dass der herausragend gute Chor lediglich herumstehen kann, obwohl seine latente Gewaltbereitschaft die ganze Geschichte zum Tanz auf dem Pulverfass macht. Auch die Protagonisten werden als Tableaux in Historiengemälden aufgestellt.

Tenor Klaus Florian Vogt an der Elbphilharmonie.
Tenor Klaus Florian Vogt an der Elbphilharmonie. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Dafür entschädigt die exzellente und gut aufeinander abgestimmte Besetzung. Tomasz Koniecznys schwarzer Bassbariton zeichnet den Telramund als düsteren Schlagetot; die Vokalisierung des polnischen Sängers beeinträchtigt allerdings seine Textverständlichkeit sehr. Elena Pankratova ist als Ortrud an diesen brutalen, nicht sehr hellen Klotz gefesselt und manipuliert ihn mit wütendem Sopran, um ihre Rolle im System zurückzuerobern.

Georg Zeppenfeld singt den König Heinrich mit kostbaren lyrischen Akzenten und beweglichen tiefen Tönen. Camilla Nylund ist auf dem Grünen Hügel eigentlich die Eva in den Meistersingern. Als Einspringerin hat sie auch die Elsa für eine erkrankte Kollegin übernommen. Diese Elsa ist kein Opferlamm, die vom Erlöser zwangsbeglückt werden will. Während die Massen Lohengrin als Heilsbringer feiern, bleibt sie skeptisch. Camilla Nylund singt die Rolle mit ausgesprochen wandlungsfähigem Sopran als Prozess einer Emanzipation.

Thielemann entdeckt die abgründige Seite Lohengrins

Der Lohengrin in Bayreuth war für Klaus Florian Vogt das Sprungbrett zur Weltkarriere. Jetzt kehrt er für einige Vorstellungen zu dieser Paradepartie zurück und begeistert mit den Entwicklungen, die seine Rolleninterpretation genommen hat. Da steht silberner Schönklang neben dunkel eingefärbten Bögen, überraschende Pianostellen berühren in ihrer Eindringlichkeit, raumgreifend große Bögen überstrahlen natürlich und unangestrengt das Orchester.

Das eigentliche Ereignis ist jedoch Christian Thielemanns Dirigat. Der Musikdirektor der Festspiele entdeckt die dunkle, die abgründige Seite der Lohengrin-Partitur und stellt sie ebenbürtig neben die Gralsmusik. Da schnarrt die Bassklarinette und die Pauke pocht den Trauermarsch, das ist so spannend und psychologisch grundiert, dass man lernt: Dieser Lohengrin kann für die Beteiligten jederzeit zum Horrormärchen werden. Aber eines, das man willig erträgt, sobald man Thielemanns mit allerzartester Raffinesse zelebriertes, berauschend trauriges Lohengrin-Vorspiel gehört hat.

Am Ende öffnet sich der gemalte Rundhorizont zu einem gigantischen Stausee mit Kraftwerk. Die Motten sind verstrahlt, dafür ist aber Gottfried wieder da, Elsas verschollenes Bruder, ein Grashüpfer, der Farbe in die Bude bringt.