Hamburg. Ihren Mozart spielten die Stargeigerin und das Kammerorchester Wien Berlin konservativ, aber das Publikum feierte sein Idol.

Welch ein Kontrast: Draußen schieben sich Menschenmengen vielsprachig an den Hafengeburtstagsständen entlang, es riecht nach Bier. Drinnen, im Großen Saal der Elbphilharmonie, sitzen rund 2000 weitere Menschen manierlich gekleidet auf ihren Plätzen in Erwartung des Anne-Sophie-Mutter-Hochamts. Was sich beinahe anfühlt, als wäre die Gemeinde in einem Raumschiff ins All unterwegs. Doch eine Verbindung zur Erde ist geblieben: Das Konzert wird auf den Vorplatz übertragen. Mutter für alle.

Die Frage ist nur: Was hat dieses Konzert denen zu sagen, die das Konzerthaus als Publikum noch zu gewinnen hoffen? Der Abend hätte genau so schon vor 40 Jahren stattfinden können. Gleich drei Mozart-Violinkonzerte haben die vermutlich dienstälteste amtierende Stargeigerin und das Kammerorchester Wien Berlin, eine Auswahlcombo mit Musikern der Wiener und Berliner Philharmoniker, aufs Programm gesetzt, darunter auch das G-Dur-Konzert KV 216, mit dem Mutter einst als Teenager die internationale Bühne betrat.

Stets hochvirtuos im Vibrato

Interpretatorisch ist sich die Solistin seither treu geblieben, um es neutral zu formulieren. Sie spielt wie stets hochvirtuos und mit einem Vibrato, das sich fast überschlägt. Dann wieder schaltet sie es ganz ab, das gehört zu ihrem Gestaltungs-Portfolio für lyrisch-ernste Passagen. Hat mit einer organischen Entwicklung des Vibratos wenig zu tun, aber das ist eben Mutters Spezialstil.

Mit dem frühen D-Dur-Konzert KV 211 geht es los. Das kennt man nicht so in- und auswendig wie die größeren, berühmteren Schwesterwerke, da wackelt es bisweilen diskret im Zusammenspiel. Bei G-Dur und A-Dur sind Solistin und Orchester dann auf Betriebstemperatur, und ihnen gelingen zauberische Momente.

Die Frau bleibt ein Phänomen

Auch die Herren (nur Herren!) Orchestermusiker pflegen übrigens einen Mozart, der stark an den der wackeren Kammerorchester der bundesdeutschen Nachkriegszeit erinnert: Alles da, hörbar und transparent, mühelos bedienen sie die Tugenden der klassischen Leichtigkeit. Leider ist aber nicht viel von dem opernhaften Gestus der Violinkonzerte zu merken. Erst in der Es-Dur-Sinfonie KV 16 (Mozart schrieb sie mit zarten acht Jahren) kommen die philharmonischen Stars aus der Deckung, wagen rhetorisch geformte Figuren und schärfen Kontraste. Nur schade, dass eine leichte Grundunruhe im Saal herrscht. Für diese mitreißende Interpretation haben die Hörer nicht dieselbe gespannte Aufmerksamkeit übrig wie für ihr Idol.

Wenn Mutter spielt, ist es wirklich mäuschenstill. Diese Frau ist und bleibt ein Phänomen, ihre eigene Marke, seit Jahrzehnten unverändert dank ihrer einzigartigen Mischung von Hochbegabung und unfehlbarer Disziplin. Schon als sie zu Beginn um Spenden für die Stiftung „Save the Children“ wirbt, hat sie das Publikum am Haken, so klar formuliert sie, so sorgfältig setzt sie ihre Pausen. Dem Zufall überlässt sie auch hier nichts.

Alles unter Kontrolle, alles wie immer. Wer weißt, vielleicht liegt ja in dieser Kontinuität das Geheimnis ihres Erfolgs.