Hamburg. Der 85-jährige Sänger gab ein starkes Konzert in der ausverkauften Fabrik, das noch lange nicht an eine Abschiedstournee denken ließ.

Viele Künstler signieren nach ihren Auftritten noch Platten und Fotos, John Mayall unterschreibt vorher. Die Schlange am Merchandising-Tisch in der Fabrik ist lang, denn viele haben Devotionalien aus ihren Sammlungen mitgebracht oder kaufen Mayalls aktuelles Album „Nobody Told Me“, um es mit einem Autogramm nach Hause zu tragen.

Wenige Minuten später steht Mayall mit seiner Band auf der Bühne, vielleicht etwas mehr gebeugt als noch vor zwei Jahren. Die Bezeichnung „rüstig“ für den 85-Jährigen würde ihm unrecht tun, der Sänger, Pianist, Gitarrist und Mundharmonikaspieler ist noch ausgesprochen fit und liefert ein starkes zweistündiges Konzert ab.

Carolyn Wonderland erfreut das überwiegend männliche Publikum

Unterstützt wird der britische Bluesveteran von seiner eingespielten Rhythmusgruppe, dem Bassisten Greg Rzab und Jay Davenport am Schlagzeug. Die beiden Musiker aus Chicago können den Blues aus dem Effeff spielen und liefern die grundsolide Basis für die Soli von Mayall und Carolyn Wonderland. Der Bandleader hat die Gitarristin aus Houston schon als Gast auf dem „Nobody Told Me“-Album dabei gehabt, jetzt verstärkt sie sein Quartett.

Ihr Spiel erinnert an ihren texanischen Landsmann Stevie Ray Vaughan, ihr expressiver Gesang an Janis Joplin, die ebenfalls in Texas geboren wurde. Wonderland, die mit bürgerlichem Namen Bradford heißt, kennt jede Blues-Phrase und liefert ein paar vorzügliche Soli ab, die ganz nach dem Geschmack des überwiegend männlichen Publikums sind. Immerhin sind auch ein paar jüngere Bluesfreunde in die fast ausverkaufte Fabrik gekommen und ziehen den Altersdurchschnitt etwas nach unten.

Mayall holt Überraschungen aus der Schatzkiste seiner Songs

Mayall hat ein paar Songs aus seinem aktuellen Album im Programm, aber er geht auch weit zurück in seinem Repertoire bis zu seinem Debütalbum, das 1964 erschienen ist. „Heartache“ hat er aus der Schatzkiste seiner Songs geholt. Auch „Room To Move“, 1969 auf „The Turning Point“ erschienen und mit der furiosen Mundharmonika eine seiner bekanntesten Nummern, findet sich ebenfalls auf der Setliste und gibt den Musikern Raum für lange Improvisationen. Auch mit 85 Jahren ist John Mayall noch lange nicht auf seiner Abschiedstournee. Blues hält offensichtlich jung.