Hamburg. Sandra Hüller und Jens Harzer brillieren in Johan Simons’ unerbittlicher „Penthesilea“-Inszenierung auf leergefegter Bühne.
Überall herrscht das Karge, die Stille, die Leere. Noch nicht einmal ein Bühnenbild zum Festhalten gibt es in Johan Simons’ unerbittlicher Variante von Kleists „Penthesilea“. Und doch ist es eine Schlacht, die hier über die von Johannes Schütz gnadenlos leergefegte, nur mit einem Lichtspalt versehene Bühne geht. Eine Schlacht auch der Liebenden, „wie zwei Sterne, die gegeneinander schmettern.“
Die bei den Salzburger Festspielen bereits gefeierte Version des Kleist-Klassikers ist damit am Thalia Theater angekommen. Heimat von Jens Harzer, der sich hier mit der grandios kämpferischen Sandra Hüller („Toni Erdmann“) aufs Feinste mit großen Worten und minimalen Gesten duelliert. Manche Theaterabende sind anstrengender als andere und dass Regisseur Johan Simons dafür ein Faible hat, bewies er bereits mit dem streng komponierten „Schimmelreiter“. Seine „Penthesilea“ ist ein Fest der Reduktion und Konzentration.
Sandra Hüller lässt prachtvoll die Bauchmuskeln spielen
Sandra Hüllers tatkräftige Amazonenkönigin mit Langrock und Brustbinde, lässt als „Weib halb Furie, halb Grazie“ prachtvoll die Bauchmuskeln spielen. Jens Harzers Schlacht erprobter Achill, ebenfalls in Langrock und Unterhemd, ist ein mit Feinsinn Begabter, den bald auch die Zweisamkeit an eine Waffenordnung erinnert. Denn diese Liebe zwischen der Amazonenkönigin und dem Griechen ist zum Scheitern verdammt, da die Amazonen sich in dieser Schlacht weder auf die Seite Trojas noch auf die Seite des Gegners Griechenland stellen. Penthesilea rüstet sich für den letzten Kampf mit Achilles, bei dem er einer Hundemeute zum Oper fallen wird. Er ist der Feind, den sie liebt.
Beide kämpfen sich prachtvoll durch Kleists Wortgebirge, sie manchmal mit derbem, schrillen Ton, er ätherisch und doch präsent. Sie finden zu verzweifelten Küssen und manchem Biss. Bemerkenswert ist diese Inszenierung auch deshalb, weil Simons ohne große Schlachtgetümmel, Rüstungen, Pfeile und Sandalen auskommt. Ohne Odysseus, Prothoe, Antilochus und andere. Die Verknappung des Personals auf die beiden Hauptfiguren sorgt für maximalen Fokus auf die Sprache und das Spiel. Und auf die Geschlechterrollen. Denn tatsächlich muss Penthesilea hier metaphorisch den Begehrten besiegen, um die Liebe überhaupt zu ermöglichen.
Diese Liebe droht, im Wahnsinn zu verglühen
Hüller trägt als Amazonenkönigin erstaunlich viel aufrichtiges, mutiges Gefühl auf der Zunge. Harzer stattet seinen Achill mit einer hochsensiblen Achillesferse aus, die eher nah am Herzen liegt. Kleine Nuancen und Verschiebungen in diesem Geschlechterkampf sind es, aus denen Simons so etwas wie die Utopie einer Liebe destilliert. Einer Liebe, die droht in einem alles umschlingenden, alles verzehrenden Wahnsinn zu verglühen und dann doch auf wundersame Weise ins Licht findet. Bleibt zu hoffen, dass Johan Simons, mittlerweile Intendant am Schauspielhaus Bochum, künftig noch Zeit für die ein oder andere Inszenierung in Hamburg finden wird.