Hamburg. Traurig und schön: „Letzte Liebeslieder“ mit Musik und Geschichten aus dem Hospiz stürzen die Zuschauer ins Gefühlschaos.
Wer es bislang für unmöglich gehalten hat in kürzester Zeit zwischen schallendem Gelächter und Tränen der Trauer zu schwanken, der wurde am Sonntagabend eines besseren belehrt. Stefan Weiller schaffte es bei der Benefizaufführung seines dokumentarischen Musik-Theaterprojekts „Letzte Liebeslieder“ das Publikum im Schauspielhaus in eben jenes Gefühlschaos zu stürzen.
Für das Projekt recherchierte der Autor über Jahre hinweg im Hospiz Hamburg Leuchtfeuer bei schwerkranken, sterbenden Menschen und ihren Angehörigen. Er sammelte Geschichten vom Abschiednehmen, von letzten Worten, Ängsten und Schmerz. Aber auch heitere Anekdoten und schwarzen Humor – und über all dem stand die Frage: Welches Lied verbinden Sie mit Ihrer großen Liebe? Diese von realen Begegnungen inspirierten Dialoge und Musiken goss Weiller in ein buntes Programm aus Konzert, Lesung, Tanz und Video.
Zwischen Komik und Tragik
Kein Zufall also, dass die nachempfundenen Dialoge und Erzählpassagen größtenteils von den drei Schauspielern Annette Frier, Christoph Maria Herbst und Bastian Pastewka vorgetragen wurden – alle drei sind auch als Komiker bekannt. Sie schafften es, dem Kuriosen mit süffisantem, hintergründigem Humor Witz einzuhauchen und gleichzeitig die Ernsthaftigkeit mit Tiefgang und Einfühlungsvermögen zu transportieren.
So lernte das Publikum etwa ein Paar kennen, das gemeinsam einen Katalog mit Särgen durchblättert, einen im Sterben liegenden Mann, der sich an seine viel zu früh verstorbene Frau und ihre liebenswerten Spleens erinnert oder eine junge Frau, die noch viel zu wenig vom Leben geschmeckt hat und die den hilflosen Versuchen ihres Vaters, sie mit schlechten Zaubertricks aufzumuntern, mit schonungsloser Ehrlichkeit entgegentritt.
Für jeden Verstorbenen flackert ein Kerzenlicht
Eine schwarze Leinwand hinter dem Ensemble füllt sich im Laufe des Abends mit den Fragmenten der Verstorbenen. „Paar, Ende 40“, „Frau, Anfang 20“, „Mann, über 60“ – die weißen Lettern erinnern an eine Traueranzeige. Für jeden Verstorbenen wird zusätzlich ein flackerndes Kerzenlicht auf das Schwarz projiziert. Zwischen den Erzählungen: Immer wieder Musik. Denn mit jeder Geschichte ist ein Song verbunden. Dabei geht es nicht ausschließlich um Trauer, sondern auch um den Moment des Kennenlernens, die Verbindung mit einem Ort oder einfach die Freude am Tanzen. Und so changiert die Musik zwischen Schlager, Klassik und Pop. Hervorragende Solisten werden im Wechsel von einer Band, verschiedenen Instrumentalisten und einem Chor begleitet. Das Repertoire reicht von Ella Fitzgerald über Pearl Jam und Johann Sebastian Bach bis hin zu Marianne Rosenberg.
Einen ganz besonderen Moment hebt sich Weiller für den Schluss auf: Zu dem Eurodance-Track „Around the World“ kommen mehrere Tanzgruppen auf die Bühne und verwandeln das Theater in eine große Party, bei der es auch das Publikum nicht mehr auf den Sitzen hält. Und so bleibt am Ende vor allem ein Gefühl bestehen: Hoffnung.