Hamburg. Bertrand de Billy und die Philharmoniker spielten Liszt, Ravel und Suk etwas risikoarm. Aber einer funkelte förmlich.
Mitunter sind Abonnement-Konzerte pragmatische Kompromisse zwischen dem Möglichen und dem Machbaren. Dirigenten auf Durchreise kommen und gehen, das Nötige an Probezeit wird vorab gewährt, alle Beteiligten sind Profis, man sieht sich beim Schlussakkord. Dass es für solche Aufgaben solide Dirigenten wie Bertrand de Billy gibt, muss nicht automatisch ein Manko sein; sicher am vorgegebenen Ziel anzukommen, hat durchaus seine Vorteile.
Doch weil nicht alle gemeinsamen Programmpunkte, mit denen Billy es jetzt zu tun bekam, gleichermaßen aus sich heraus glänzen, hätte es beim ersten seiner beiden Termine mit den Philharmonikern im Großen Saal der Elbphilharmonie schon etwas mehr Aufdrehen und Überwältigungswillen sein dürfen. Und etwas weniger Vollkasko.
Raffiniertes Funkeln vom Klavier
Womöglich war das ein weiterer Grund dafür, dass der junge Franzose Lucas Debargue am Ende seiner Sonntags-Runde durch das G-Dur-Konzert von Ravel noch so unverbraucht, entspannt und fast schon unterfordert wirkte. Einerseits, weil seine Virtuosität enorm sicher sitzt und er nicht zuletzt durch seine Prägung als Jazz-Pianist das dort interessant wildernde Stück raffiniert funkeln lassen konnte. Andererseits aber auch, weil ihm das Orchester keine lohnende Reibungsfläche und keine Risikoanreize bot.
Nach der von Billy etwas zu unmagisch dirigierten „Pavane“ von Ravel brachte Debargue als Solist Esprit und Klangsinnlichkeit in Ravels Verbeugung vor Gershwins „Rhapsody In Blue“. Nicht immer waren die hiesigen Holzbläser dezent genug, um die Details im Klavierpart angemessen wirken zu lassen. Was ihnen an Understatement fehlte, machte Debargues lässiges, im langsamen Satz geradezu cooles Phrasieren wieder wett. Und das Presto schnurrte angenehm prickelnd per Autopilot in Richtung Beifall.
Zwei Leckerbissen – eigentlich
Nach der Pause hatte die Kombination aus Liszts „Orpheus“ und Suks „Pohádka“ („Märchen“) zumindest theoretisch ihren Reiz. Eine frühe sinfonische Dichtung, in der Liszt mit einigem Brimborium den hineinkomponierten Vorhang vor seiner Gedankenvertonung aufzog, dazu eine – ebenfalls unverdient – noch seltener zu hörende Schauspielmusik-Melange zu einem tollen Märchenstoff? Geschrieben von Dvoraks Schwiegersohn? Zwei Leckerbissen, eigentlich. Aber eben erst, wenn man der Wiedergabe deutlicher angehört hätte, dass auch ihr Dirigent dieser Meinung gewesen wäre.
Das Liszt-Frühwerk verlief sich ins Ungefähre; die zu brav angegangene Suite von Suk ließ ein energischeres Plädoyer für die unbekannteren Schönheiten der tschechischen Nationalmusiker vermissen. Schade.
Das Konzert wird an diesem Montag (20 Uhr) wiederholt, evtl. Restkarten an der Abendkasse.