Hamburg. Die junge Sopranistin beeindruckte durch hohe Gesangskunst und exzellente Technik. Kleiner Haken: eine holprige Dramaturgie.
Für solche Momente gehen wir ins Konzert. Gegen Ende der ersten Hälfte sang die junge Sopranistin Louise Alder so berückend, dass man die Zeit anhalten wollte. Indem sie ihre Stimme ganz zurück nahm, bis ins zart schimmernde Pianissimo, offenbarte sie die Verletzlichkeit der Pamina, die in der Arie „Ach, ich fühl’s“ aus Mozarts Zauberflöte das vermeintliche Ende ihres Liebesglücks beklagt. Was bei anderen bloß schlicht und schön klingt, war hier, in der Laeiszhalle, herzzerreißend traurig. Auch, weil das Chamber Orchestra of Europe unter Robin Ticciati den Schmerz mitfühlte und der britischen Sängerin mit zauberleisen Tönen Raum ließ für Nuancen.
Da hatte die Musik gar nichts Opernhaftes mehr, sondern atmete ganz natürlich. Dass Louise Alders Ausdruckskraft aber sehr wohl auf hoher Gesangskunst und einer exzellenten Technik basiert, demonstrierte sie kurz danach, in einem Ausschnitt aus Mozarts „Così“. Als reumütige Fiordiligi beschwor sie dort die Treue und balancierte ihr lyrisches Timbre traumwandlerisch sicher bis zu den Spitzentönen auf dem vokalen Drahtseil.
Ein fantastischer Auftritt von Louise Alder auch hier, vom Orchester wieder wie auf Zehenspitzen begleitet. Kleiner Haken bei der Sache: Diese Höhepunkte blieben Stückwerk. Und das lag an der holprigen Dramaturgie.
Größere Spannungsbögen in der zweiten Hälfte
Der erste Teil des All-Mozart-Programms verzahnte die einzelnen Sätze seiner D-Dur-Serenade mit Arien aus unterschiedlichen Opern – und zwang die Sopranistin damit zu sprunghaften Rollenwechseln, von der gewitzten Kammerzofe Susanna aus dem Figaro über die verführerisch gurrende Zerlina bis zum erwähnten Abschied der Pamina. Das alles passte zwar stimmlich hervorragend, war aber musikalisch und psychologisch kaum motiviert oder verbunden. Im Gegenteil, zwischen den Arien mit ihrem emotionalen Tiefgang wirkten die tänzerischen Serenadensätze mitunter wie Fremdkörper.
Erst in der zweiten Hälfte bekamen Robin Ticciati und das exzellente Kammerorchester Gelegenheit, größere Spannungsbögen zu formen. Nach einer weiteren, Mozart zugeschriebenen Arie für Sopran und Fagott dirigierte Ticciati dort eine spritzige Aufführung der Linzer Sinfonie. Ohne Taktstock, oft auf den Füßen wippend, führte der Schlacks mit den schlanken Gliedmaßen das Ensemble vom majestätischen Beginn über die idyllische Stimmung im Andante bis ins wirbelnde Finale. Da funkelte die Mischung aus Spielfreude, Präzision und Differenzierungslust, die das Chamber Orchestra of Europe bekannt und zu einem Kammerorchester der Spitzenklasse gemacht hat.