Hamburg. Lieder von Verbundenheit und Abschied, Schmerz und Glück. Gefeiertes Konzert der gebürtigen Hamburgerin.

Als Alin Coen spät am Abend, da ist es schon nach elf Uhr, „Das letzte Lied“ anstimmt, scheint das Gros des Publikums in der ausverkauften Laeiszhalle noch immer nicht genug zu haben. Jede der drei Zugaben erhält ungeteilte Aufmerksamkeit. Ausdruck der Wertschätzung für eine eigentlich unprätentiös auftretende Songschreiberin und Sängerin, die hier mit großem Orchester auftrumpft. Für die in Weimar lebende gebürtige Hamburgerin ist es auch ein triumphales Heimspiel zum Tourneeabschluss.

Dass sie ihre zarten Folk-Lieder mit der Stüba Phiharmonie unter ihrem musikalischen Leiter Paul Momberger präsentiert, ist an sich schon ein Ereignis, denn an dem Erfolg der Zusammenarbeit zweifelte nicht nur Coens Konzertagentur. 60 Musiker auf eine Tournee zu schicken ist eine logistische Herausforderung, zumal die ehrenamtlich aufspielenden Musiker dafür ihren Urlaub verwenden.

Bei den Balladen knarzt und quietscht es auch mal

Das Orchester, ergänzt um Alin Coens dreiköpfige Band, bringt ihre zarten Song-Minitaturen mühelos auf Cinemascope-Format. Das gelingt bei den Uptempo-Liedern wie „High Expectations“ schlüssiger und runder als bei den intimeren Balladen, wo es auch mal knarzt und quietscht. Einige, leisere Miniaturen, wie etwa „Rifles“, ebenfalls vom Album „We’re Not The Ones We Thought We Were“, gewinnen durch den opulenteren Sound.

Die Stüba Philharmonie, 1996 im thüringischen Luftkurort Stützerort als Mischung aus Profis und ambitionierten Laien gegründet, tritt bewusst anders auf als andere Orchester und sucht sich gerne Popmusiker für eine Zusammenarbeit. 2009 tourte sie mit Clueso, 2013 mit Ulver, 2019 wird sie De Phazz begleiten. Auch in der Laeiszhalle tragen die Musiker ihre Markenzeichen-Kostüme, schwarze Oberteile, leuchtend rote Hosen.

Neben dem ehrenamtlichen Engagement verdient auch ihr Konzertieren Anerkennung. Es gilt schließlich keinen Bruckner zu interpretieren. Die Arrangements, von mehreren Songschreibern verfasst, setzen gekonnt auf große Hollywood-Gesten, manches erinnert an die 1940er-Jahre. Weiche, gleichwohl keine Melodie verklebende Streicher, sehnsuchtsvolles Blech, in dem vor allem die Posaune und das Saxofon mit eindrucksvollen Soli begeistern. Hinzu kommt eine aparte Rhythmik, die sich mit Schlagzeug, Bass und E-Gitarre von Alin Coens Band wunderbar zu sattem Sound ergänzt.

Coen gibt längere Ansagen im Flüsterton

Die 37-jährige Sängerin selbst wiegt sich sparsam mit wenigen Gesten am Mikrofon. Ihre dunkle Charakterstimme gewinnt nach den ersten Songs an Sicherheit, vielleicht noch stärker in den englischsprachigen Songs als in „Festhalten“ oder „Wolken“. Manchmal lässt sich Coen, bestens gelaunt, zu einer längeren Ansage im Flüsterton hinreißen. Die Menge lauscht ihr stets ergeben, auch als sie im Vorfeld des Songs „Disconnected“ Konsumkritisches anmahnt.

Die musikalische Welt, in der Alin Coen lebt, scheint eine bessere zu sein, eine Welt ohne Kinderarbeit und ohne Kriege. Ohne Konflikte ist sie nicht, auch und gerade in ihren Liebesliedern. In „Einer will immer mehr“ oder „Die Nähe“ erzählt sie schonungslos vom Ungleichgewicht der Gefühle und von Bindungsscheue. Coen singt Lieder von Verbundenheit und von Abschied, vom Schmerz und dem Glück der kleinen Augenblicke. Neben ihrer rauen Stimme, ist es ihre Natürlichkeit und Lebensnähe, die an diesem Abend überzeugt. So kann das Jahr weitergehen.