Hamburg. Beim Liederabend fanden Sänger Steve Davislim und Pianist Malcolm Martineau nach anfänglichen Schwierigkeiten zur perfekten Balance.
Was ist denn da passiert? Auffällige Lücken im Publikum! Beim zweiten Elbphilharmonie-Liederabend der Saison bleiben doch ein paar Plätze mehr frei, als man es im Kleinen Saal bisher gewohnt war.
Der naheliegendste Grund: Steve Davislim ist in Hamburg zu wenig bekannt, warum auch immer. An der musikalischen Qualität liegt es jedenfalls nicht. Der Tenor hat sich an Top-Häusern wie der New Yorker Met als lyrischer Opernheld bewährt und unter Branchengrößen wie Riccardo Chailly konzertiert.
Nur im Liedrepertoire war Davislim bisher nicht so prominent unterwegs. Aber das Fach beherrscht er auch. Und wie! Allerdings brauchte er ein paar Minütchen, bis er sich mit seinem Klavierpartner Malcolm Martineau so richtig zusammengegroovt hatte. Im ersten Programmblock, bei fünf Liedern von Schubert, schimmerte sein silbriges Timbre zwar schon sehr schön, mit dem er die Stimmungswechsel der Stücke ausleuchtete – aber die Projektion der Texte blieb noch etwas blass, weil Davislim die Konsonanten eine Spur unterzeichnete und Martineau den Flügel dafür einen Tick überbelichtete.
Bei Brahms fanden Steve Davislim und der Pianist die perfekte Balance
Doch das änderte sich bei Brahms. Da fanden die beiden nicht nur eine perfekte Balance, sondern auch noch einen ganz anderen Grad an Intensität. Gleich im ersten Lied, „Von ewiger Liebe“, packten sie die Hörer mit einem dichten Spannungsbogen und glühender Ausdruckskraft.
Mehr noch als bei Schubert schöpfte Davislim hier aus dem Vollen seiner stimmlichen Möglichkeiten. Er überstrahlte den Höhepunkt mit tenoralem Glanz, hauchte im „Lerchengesang“ luftige Klänge und gab dem tiefen Register im Lied „Dein blaues Auge“ gemeinsam mit dem Pianisten einen warmen Bronzeton.
Grundlage seiner Liedkunst ist neben dem musikalischen Gespür und der stimmlichen Luxusausstattung auch eine erstaunlich idiomatische Sprachbehandlung. Kaum zu glauben, dass der 51-jährige Steve Davislim kein deutscher Muttersprachler, sondern ein Australier mit chinesisch-irischen Wurzeln ist. Er formt die Vokale organisch, phrasiert jede Silbe sensibel und lässt selbst ein altertümliches Wort wie „Jungfräulein“ wie selbstverständlich klingen.
Lieder von Hugo Wolf, ein musikalischer Adrenalinstoß
Von seiner sängerischen und sprachlichen Virtuosität profitieren auch die Lieder von Hugo Wolf, dessen Vertonung von Mörikes „Feuerreiter“ er zungenflink zum musikalischen Adrenalinstoß macht. Dagegen kostet er bei Richard Strauss vor allem die sangliche Süße der Melodien aus, die sich buttercremeweich in die Harmonien des Klaviers einschmiegen.
Ganz am Schluss, nach der zweiten Zugabe – Schuberts wunderbares „An die Musik“ – bleiben noch ein paar mehr Plätze frei als zu Beginn. Weil viele Hörer im Stehen applaudieren. Davislim ist einer von den richtig Guten, das wissen wir jetzt auch in Hamburg.