Hamburg. Stefan Gwildis, Ulrich Tukur, Gustav Peter Wöhler – das Gastspiel in der Elbphilharmonie begeisterte mit einem fulminanten Ensemble.

Vor seinem Auftritt deutete Stefan Gwildis aus den Fenstern seiner Garderobe im zwölften Stock der Elbphilharmonie auf den ­Hafen: „Da habe ich Säcke gebuckelt.“ Zwei Stunden später würdigte er die Herzkammer Hamburgs gebührend, ­etwa mit „Mitten vor dem Dock 10“, seiner Version des Otis-Redding-Klassikers „The Dock Of The Bay“.

Heimat. Hafen. Hamburg. Der ­musikalische Dreiklang eines denkwürdigen Konzerts. „Das Herz von St. Pauli, das ist meine Heimat“ – die Liebeserklärung aus dem Hans-Albers-Film von 1957 stand ganz oben im Programmheftchen. Dennoch sprachen Thomas Collien und Ulrich Waller in ihrer Begrüßung von einem Auswärtsspiel. Am Donnerstag kaperten die ­Intendanten des St. Pauli Theaters die Elbphilharmonie. Und wie einst Piraten hatten sie reiche Beute für ihr Theater im Visier, es gebe ja „genügend Pfeffersäcke im Publikum“, scherzte Waller.

Auf seine Mannschaft war Verlass, alle spielten im ausverkauften Großen Saal für eine Freundschafts­gage – von Gwildis über Chansonnier Tim Fischer, die singenden Schauspieler Ulrich Tukur und Gustav Peter Wöhler bis zur israelischen Künstlerin Esther Ofarim, allesamt seit Jahren Stammgäste am St. Pauli Theater. „Als die ­Anfrage kam, habe ich sofort zugesagt“, sagt Gwildis. Der Geist an der 1841 eröffneten Bühne sei schließlich außergewöhnlich: „Eine solche Verbundenheit zu den Künstlern gibt es in Deutschland nicht mehr oft.“

Stefan Gwildis begeisterte mit souligen Liedern

Nun haben solche Galaabende ihre Tücken, gerade wenn es um die ­gute Sache geht. Die Versuchung, den eigenen Auftritt mit Zugaben auszudehnen, wirkt fast übermächtig – erst recht in der Elbphilharmonie. „20 Minuten, das ist die Grenze“, hatten Waller und Collien allen ein­geschärft. Mit Erfolg. Tukur ermahnte seinen formidablen Schlagzeuger Kalle Mews, seinen Schabernack-Auftritt ­abzubrechen: „Wir müssen uns beeilen.“ Gwildis, der mit Hafen-Soul die Zuschauer begeisterte, strich ein Lied, als er merkte, dass er mit seinen Improvisationen zu überziehen drohte.

Der Star war an diesem Abend die Mannschaft, wohl auch deshalb, weil sich ihre Mitglieder seit vielen Jahren kennen und schätzen. Esther Ofarim zum Beispiel gastierte bereits 1984 mit Ulrich Tukur im Schauspielhaus in der Zadek-Inszenierung „Ghetto“. Auch mit 77 Jahren zieht die Bühnenpräsenz dieser kleinen, rothaarigen Person das Publikum unverändert in den Bann. Ihr Auftritt berührte, genau wie der Vortrag von Tim Fischer. Sein Lied „Ein Koffer spricht“, ­geschrieben von der 1944 ermordeten Jüdin Ilse Weber über die Gräueltaten der Nazis in den Konzen­trationslagern, gehörte zu den Höhepunkten.

Vorzeitig gehen? Künstler "drohen" Zuschauern

Nach der Pause stürmte Ulrich ­Tukur mit den Rhythmus Boys die Bühne, ihre Version des Stones-Klassikers „Let’s Spend The Night Together“ war bereits das Eintrittsgeld wert. Den Abend beschließen durfte Wöhler mit Meilensteinen der Musikgeschichte wie „Bridge Over Troubled Water“ von Simon & Garfunkel. Nein, viel mehr geht nicht. Moderator Alfons musste mit der Guillotine drohen, um den mit der Elbphilharmonie ausgehandelten 23-Uhr-Schluss nicht zu gefährden. Vor dem Konzert hatten Collien und Waller noch Zuschauer augenzwinkernd eingeschüchtert, sollte jemand mit dem Gedanken spielen, den Saal vorzeitig zu verlassen – wie bei einem Jazz-Konzert im November: „Wir haben Türsteher vom Kiez mit­gebracht.“

Überhaupt Alfons. Der deutsch-französische Kabarettist, bürgerlich Emmanuel Peterfalvi, war für Zuschauer, die ihn nur als drolligen Interviewer mit Puschel-Mikrofon kennen, die Entdeckung des Abends. Mit Verve und Witz warb er für Europa und die deutsch-französische Freundschaft: „Jahrhundertelang gab es Kriege zwischen uns. Nun haben wir seit über 70 Jahren Frieden. Es ist nur ein Experiment, das wir nicht gefährden dürfen.“ Am Ende appellierte er: „Auch wenn es so viele Verrückte gibt, vergesst das Träumen nicht. Geht ins Theater.“