Hamburg. Der Schauspieler und Musiker begeistert mit einer Show aus swingenden Jazznummern, Chansons und Schlagern.

Er hat Charisma wie nur ganz wenige deutsche Unterhaltungskünstler. Deshalb kann Ulrich Tukur es sich auch erlauben, minutenlang einen Song anzumoderieren. Bei anderen Künstlern wird das schnell langatmig, aber wenn Tukur erst mal ansetzt und zum Geschichtenerzähler wird, bekommen seine Konzerte eine zusätzliche literarische Qualität. Bevor er mit seinen Rhythmus Boys Cole Porters „Night And Day“ anstimmt, gibt Tukur den Märchenonkel und fabuliert eine Geschichte zusammen, nach der Mond-Astronaut Neil Armstrong der Sohn des schwarzen Trompeters Louis „Satch­mo“ Armstrong gewesen sei.

Eine 1,95 Meter große Isländerin, ein heißer Geysir, die Beerdigung von Cole Porter und Begegnungen mit dem Nazi-Verbrecher Wernher von Braun und dem Filmregisseur Billy Wilder spielen auch noch eine Rolle bei dieser Erzählung aus der Abteilung „alternative Fakten“ – das moderne Synonym für Lügengeschichten. Nach etwa sieben Minuten Ankündigung spielt das Quartett dann endlich „Night And Day“.

"Ganz anders als Helene Fischer"

Dem Publikum in der ausverkauften Elbphilharmonie gefällt diese Show aus swingenden Jazznummern, Chansons und Schlagern. „Mit einfachen Mitteln gut gemacht“, raunt ein Zuhörer seiner Frau ins Ohr, „ganz anders als Helene“, ergänzt er und meint damit das bombastische Bühnenbild von Helene Fischer.

Tukur und die Rhythmus Boys kommen mit viel weniger aus und garantieren mit vier Instrumenten und ein paar Kostümen allerbeste Unterhaltung bis hin zur Albernheit. Wenn Tukur und Gitarrist Ulrich Meyer zu Duke Ellingtons „Caravan“ im Kamel-Kostüm auf die Bühne reiten und Bassist Günter Märtens im Beduinenlook und Schlagzeuger Kalle Mews als seine schwarz verschleierte Frau Heike dazu den Rhythmus klopfen, wirkt das schon etwas närrisch. Aber zu seriös möchte Tukur mit seiner Tanzkapelle auch nicht rüberkommen: Es geht ihm darum, dem Publikum Spaß zu bereiten, aber selbst auch mit seinen Kollegen Spaß zu haben.

Bassist und Schlagzeuger tanzen engumschlungen

„Grüß mir den Mond“ heißt das Programm, und es ist gerade im ersten Teil ein Streifzug durch die Nacht mit Gedichten von Hofmannsthal und Ringelnatz und Songs wie der „Moonlight Serenade“ oder dem „Harlem Nocturne“. Zu einem italienischen Canzone-Schlager tanzen Märtens und Mews dann eng umschlungen, was komisch wirkt, weil der Bassist mit seiner Körpergröße von 2,08 Metern fast doppelt so groß wirkt wie der alles andere als riesige Schlagzeuger. Im Zugabenteil liefern die beiden eine weitere Ulknummer. Dann spielt Märtens einen Bauchredner, Mews sitzt als Puppe mit wackelndem Kopf auf seinem Schoß, und gemeinsam singen alle „Mein fröhlicher Kakadu“.

Seit 1995 existieren Tukurs Rhythmus Boys. Die Band ist großartig auf­einander abgestimmt, die Akustik der Elbphilharmonie, von Tukur als „geräumige Mehrzweckhalle“ bezeichnet, macht jede musikalische Nuance hörbar. Nur wenn der Bandleader seine Texte etwas zu schnell spricht und vernuschelt, hilft auch der beste Klangraum nicht, um alles zu verstehen. Zweidreiviertel Stunden dauerte der Gang durch die Nacht mit dem singenden Schauspieler, sie vergingen wie im Flug. Mit Irving Berlins „Puttin’ On The Ritz“ und Cole Porters „Begin The Beguine“ hat der zweite Teil zwei jazzige Höhepunkte. Zum Schluss spielen die vier „La Paloma“ instrumental als melancholische Nummer. Das Publikum ist total begeistert. Zu Recht.

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