Hamburg. Der Auftritt des King’s Consort war musikalisch ein Fest. Der Dirigent aber saß einst wegen sexuellen Missbrauchs in Haft.

Über das King’s Consort zu schreiben, ist eine heikle Angelegenheit. Schließlich wurde dessen Gründer und Leiter, Robert King, für den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen 2007 zu einer knapp vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die hat er längst verbüßt, sicher – aber was ist mit den Opfern, die durch King traumatisiert sind? Wie mag es sich für sie anfühlen, dass der heute 58-jährige Dirigent, der die Taten immer bestritten hat, wieder auftreten darf und auf internationalen Podien gefeiert wird?

Das sind unbequeme Fragen, die einem quer im Magen liegen und trotzdem in eine Konzertkritik gehören. Gerade weil die Musik so schön klingt, dass man das Thema am liebsten ausklammern möchte. Denn künstlerisch stand der Ausnahmerang von Robert King und seinen Ensembles immer außer Frage. Den demonstrierten sie auch beim Gastspiel im Großen Saal der Elbphilharmonie mit dem „Messiah“.

Die Interpreten belebten Händels Erfolgsoratorium über die Geburt und das Leiden Christi und die Erlösung der Menschen mit einer Selbstverständlichkeit im Klang und in der Gestaltung des englischen Textes, wie sie vielleicht nur britischen Musikern gegeben ist. Jede einzelne Nummer ein Fest an Spielfreude, subtiler Ausdruckslust und Transparenz.

King's Consort ist eine Spitzenbarocktruppe

Die staunenswerte Souveränität offenbarte sich auch im Umgang mit der einzigen Qualitätsdelle des Abends. Dass die angeschlagene Altistin Hilary Summers vom HNO-Arzt fit gedopt werden musste, wurde erst von Robert King charmant anmoderiert und dann vom Orchester sensibel aufgefangen,.

Das ist schon eine Spitzenbarocktruppe, dieses King’s Consort. Angeführt von der Konzertmeisterin Kati Debretzeni, folgte das zwanzigköpfige Instrumentalensemble den frischen Tempi von King und begleitete die Sänger hellwach. Die Solisten nutzten diese Vorlage, um den szenischen Farbreichtum der Partitur auszukosten. Julia Doyle ließ ihren Sopran in der „Rejoice“-Arie silbrig glitzern, besang die Verkündigung des Friedens mit wunderbarer Süße und fand für die Aussicht auf den Erlöser einen Ton von anrührender Schlichtheit. David Wilson-Johnson - mit Ende sechzig immer noch gut in Schuss – verströmte in den Bassbaritonpartien eine kernige Präsenz, aber auch ein Gespür für die geheimnisvollen Momente. Sensationell der Auftritt des Tenors Joshua Ellicott, der Schlankheit und Strahlkraft vereinte und damit mühelos den Raum füllte.

Typisch britisch, Ellicotts Timbre, ebenso wie der Klang des Chores, mit dem sehr hellen und geraden Sopransound und den markigen Männerstimmen. Stark, mit welcher Sicherheit die Koloraturen fließen, wie klar selbst Einsätze in ungünstigen Lagen kommen, und was für ein Volumen dieses Ensemble mit 18 professionellen Sängern und Sängerinnen entfaltet. Keine Frage, das King’s Consort berückt und überwältigt mit seinem „Messiah“. Aber ein Schatten des Unbehagens und des grundlegenden Zweifels bleibt.