Regisseur Axel Ranischs radikale Neuversion eines Opernstoffs ist so beschwingt wie entrückt. Und bietet eine Extraportion Kitsch.

Wenn der Alltag trist ist, der Stress hoch und die Chefin nervt: einfach mal die Zeit anhalten und singen. Im besten Fall stimmen die Kollegen mit ein. Wagen dazu vielleicht gar ein Tänzchen, bei dem auch die Chefin mitmacht. So schafft man zumindest einen Augenblick der Harmonie, der das Leben schöner macht.

Das ist die Hoffnung in Axel Ranischs beschwingt-entrücktem Film „Orphea in Love“. Ranisch begann als Undergroundfilmer unorthodoxer Werke wie „Dicke Mädchen“, hat dann die Fernsehnation mit improvisierten „Tatort“-Folgen geschockt, sich aber auch zunehmend als Opernregisseur einen Namen gemacht. Am Pfingstwochenende feierte der Berliner nun sein spätes Heimdebüt mit „Saul“ in der Komischen Oper. Parallel dazu kommt nun ein Film ins Kino, der die beiden großen Herzen in seiner Brust, Oper und Film, lustvoll vereint.

„Orphea in Love“: Diese Liebe verlangt ein großes Opfer

„Orphea in Love“ ist eine radikale Neuversion des ältesten Opernstoffs von Orpheus. Der ist diesmal eine Frau, Orphea (Mirjam Mesak), eine Estin, die sich im heutigen München gleich mit mehreren Jobs über Wasser halten muss: als Telefonistin und als Garderobiere in der Bayerischen Staatsoper (wo Ranisch auch schon mit Mesak gearbeitet hat).

Sie findet ihre große Liebe in dem Straßenstreuner und Tagedieb Kolya (Guido Badalamenti). Das führt zu keinem Liebesduett: Der Mann ist stumm, aber ein begnadeter Tänzer. Auch hier vereinen sich zwei Kunstformen aufs Schönste. Als der Operndiva (Ursina Lardi) einmal die Stimme versagt, springt Orphea ein – und könnte ein Star werden. Der Impresario (Heiko Pinkowski) aber kommt direkt aus dem Hades und will nur ihre Stimme. Sein teuflischer Plan: Er überfährt Kolya, und Orphea kann ihn nur aus dem Jenseits zurückholen, wenn sie ihm ihre Stimme vermacht. Orpheus trifft Timm Thaler.

Regisseur Axel Ranisch erschafft eine ganz eigene surreale Märchenwelt

Was würde man nicht alles für seine Liebe opfern? Und gelingt es diesem Paar einmal, der vorbestimmten Orpheus-Tragik zu entgehen? Ranisch spielt leichtfüßig mit Vorlagen und Erwartungen und erschafft dabei eine ganz eigene surreale Märchenwelt. Mit viel Ironie. Und extra Kitsch! Wenn das Paar sich küsst, blitzt zwischen ihm die Sonne durch.

„Orphea in Love“ 107 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Abaton und Zeise