Hamburg. Sönke Wortmann bringt die nächste Runde seiner Verwandtschafts-Komödie in die Kinos. Eine wahre Comédie humaine!

Ist schon seltsam, wenn die eigene Mutter Post vom Standesamt kriegt, diese aber mit falschem Nachnamen versehen ist – und trotzdem ankommt. Da müsste der Groschen doch eigentlich gleich fallen. Weil „Der Nachname“ aber nun mal eine Komödie ist und man in Komödien Pointen immer ein bisschen ausreizen muss, wird erst mal ein großes Was? Wieso? angestimmt, bevor das Offensichtliche offenkundig wird: Mama hat noch mal geheiratet!

Und das, obwohl sie „nicht nur über 40, sondern auch über 50 und sogar über 60 ist“, wie ihr Sohn uncharmant meint. Und dann auch noch den eigenen Adoptivsohn! Da klappt den beiden leiblichen Kindern doch die Kinnlade runter. Und zur Hochzeit waren sie auch nicht eingeladen! Weder von der Mutti noch vom Adoptivbruder.

„Der Nachname“ von Sönke Wortmann kommt in die Kinos

Erinnern Sie sich noch? Vor fast auf den Tag genau vier Jahren kam „Der Vorname“ ins Kino, die star-besetzte Komödie von Sönke Wortmann, in der Florian David Fitz als erfolgreicher Unternehmer Thomas Böttcher seine Familie bei einem Dinner foppte, er werde seinen Sohn Adolf taufen. Schwester Elisabeth (Caroline Peters) war sprachlos, der penible Professoren-Schwager Stephan (Christoph Maria Herbst) wetterte vom Untergang des Abendlandes.

Kindsmutter Anna (Janine Uhse) konnte den Streich nicht aufdecken, weil sie erst später dazu kam. Und Adoptivbruder René (Justus von Dohnányi) hielt sich wie so oft bedeckt. Eine herrliche Komödie, bei der ein Wort das andere gab und schließlich noch viele andere Familiengeheimnisse offenbar wurden. Unter anderem eben jenes, dass René ein Verhältnis mit der gemeinsamen Mutter hatte – Dorothea (Iris Berben), die aber nur per Telefon kurz zugegen war.

Die Fortsetzung ist selbst ersonnen

Fortsetzungen von Kinoerfolgen sind ja oft ein Beweis von Fantasielosigkeit, klammert man sich doch bloß an einen sicheren Erfolg, statt sich etwas Neues einfallen zu lassen. In diesem Fall aber ist es ausnahmsweise andersrum. Tatsächlich war „Der Vorname“ das Remake der französischen Erfolgskomödie „Le prénom“ von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte aus dem Jahr 2012, nach dem Theaterstück von Delaporte. Das kam auch in Deutschland ins Kino, hatte aber nur wenig Zuspruch. Und wurde von Sönke Wortmann dann noch mal verfilmt, mit einem wunderbaren All-Star-Cast, der sich hier mit Wumms in die Haare bekam.

Der Film war ein solcher Erfolg, die Pointen waren so dicht und die Chemie zwischen den Darstellern war so stark, dass schon bald die Idee einer Fortsetzung aufkam. Die ist nun aber nicht mehr geklaut, sondern selbst ersonnen, von Drehbuchautor Claudias Pläging, der schon den „Vornamen“ auf deutsche Verhältnisse übertrug.

Iris Berben ist die große Gewinnerin der Fortsetzung

Nun also gibt es ein Wiedersehen mit dieser herrlich dysfunktionalen Familie. Diesmal nicht bei Stephan und Elisabeth zu Hause, sondern auf dem Landhaus des verstorbenen Vaters auf Lanzarote, wo inzwischen die Mutter mit René wohnt. Iris Berben ist die große Gewinnerin dieser Fortsetzung: Nachdem sie in „Der Vorname“ die vielleicht kleinste Rolle ihrer Karriere bestritt, spielt sie nun neben den bekannten Figuren eine ebenbürtige Hauptrolle.

Und während in Teil eins die Stimme von Caroline Peters aus dem Off durch den Film führte, nimmt diesmal La Berben diese Position ein: die Grande Dame des deutschen Kinos, die nicht nur 40 ist, sondern schon über 50, über 60 und sogar, na Sie wissen schon.

Sie möchte ihren Liebsten etwas bekennen, deshalb hat sie sie nach Lanzarote eingeladen. Also reisen die beiden Kinder mit ihren Partnern – nicht ohne Flugkomplikationen – in die sonnige Idylle. Und eigentlich müsste ihnen schon was schwanen. Aber dann sind sie doch überrascht und genauso sprachlos wie einst beim Adolf-Streich. Mit dem Unterschied, dass dieser Nachname sich wirklich geändert hat und Frau Böttcher jetzt Frau König heißt. Aber sonst ändert sich nix. Schon bald liegen sich wieder alle in den Haaren.

Same same but different: Das ist ja das Erfolgsrezept für jede Fortsetzung. Weil man was Neues erwartet und doch das Alte herbeisehnt. Das geht selten auf. Hier aber funktioniert es bestens. Alles ist ein bisschen anders. So wie beim „Vornamen“ im Vorspann nur die Vornamen der Stars genannt wurden, werden jetzt im „Nachnamen“ nur deren Nachnamen genannt. Während der Ton beim „Vornamen“ gleich sehr schrill wurde und die Komödie sofort auf Hochtouren lief, geht man es hier etwas gelassener an. Und das Setting spielt sich zwar wieder auf kleinstem Raum ab, aber das Landhaus bietet doch ein paar Räume mehr als die Wohnung im ersten Teil. Und vor allem spielt das ganze nicht abends, sondern tags, bei hellem, schönstem Sonnenschein.

Auch dieser Film schreit sehr deutlich nach einer Fortsetzung

Aber auch hier geht die Empörung dann weit über die titelgebenden Namensänderung hinaus. Und wieder kommen lauter Geheimnisse ans Licht. Die sollen hier nicht verraten werden, um die Überraschung zu wahren. Sie führen aber wieder zu einem hübschen Sittenbild. Bei dem auch Haschkekse eine wichtige Rolle spielen. Und Frau Berben als Matriarchin am Ende allen ins Gewissen reden muss: „Macht Euch doch mal locker.“ Eine wahre Comédie humaine.

„Der Nachname“ sollte bereits im vergangenen Dezember starten, wurde aber pandemie-bedingt um fast ein Jahr verschoben. Dazwischen startete schon eine jüngere Wortmann-Komödie: „Eingeschlossene Gesellschaft“. Aber während Verschiebungen sonst oft ein Zeichen dafür sind, dass Filmverleiher nicht an ihre Produkte glauben, muss man hier konstatieren: Der Film ist gereift wie guter Wein.

Im letzten Lockdown light konnte man sich noch nicht so herrlich über die Böttchers amüsieren, die da auch in einer Art Quarantäne hockten, wenn auch in Luxusambiente. Jetzt aber wirkt das viel komischer und unbeschwerter. In der Zwischenzeit sind auch noch ein paar Krisen mehr hinzugekommen, weshalb man vielleicht noch dankbarer ist, wenn man mal von Herzen lachen darf. Und auch dieser Film schreit nach einer Fortsetzung. Tatsächlich soll man auch schon darüber nachdenken, wie die denn heißen könnte: „Der Spitzname“ vielleicht. Oder „Der Kosename“. Auch die Stars wären alle wieder dabei.

„Der Nachname“ 87 Minuten, o. A., läuft im Abaton, Holi, Passage, ASTOR Lounge, den Cinemaxx- und UCI-Kinos, im Hansa, Koralle und Zeise