Hamburg. Preisträgerin Caroline Peters hat das Berliner Theatertreffen eröffnet und kommt gleich zweimal zum Hamburger Theaterfestival.
„Die Scheiß-Chauvis haben es versaut. Man hätte mit den Frauen verhandeln können. Aber jetzt ist Krieg“, heißt es an einer Stelle des fantastischen, durchgedreht-düstereren Simon-Stone-Abends „Hotel Strindberg“. Und das passt als Kommentar doch allerfeinstens.
Denn das Thema war in diesem Jahr des Berliner Theatertreffens schon gesetzt, bevor der Inszenierungsreigen am Freitag mit jenem „Hotel Strindberg“ vom Wiener Burgtheater so richtig los ging: Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens, hatte eine Quote angekündigt. In den kommenden beiden Jahren soll die Hälfte der zehn ausgewählten Stücke von Regisseuren inszeniert werden – und die andere Hälfte von Regisseurinnen, weshalb die Quote, die auch bestehende Strukturen hinterfragen soll, also „Frauenquote“ heißt. „Die Frauenquote ist eine Form von Notwehr“, erklärte Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, in seiner Auftaktrede. Das Theater als Betrieb sei kinder- und familienfeindlich. Und zwar – gern übersehener Aspekt – „auch für Männer.“
Peters ist Befürworterin der Quote
„Super-Idee!“ findet Caroline Peters und strahlt. Am Vorabend stand sie in Simon Stones Wiener Inszenierung auf der Bühne des Berliner Festspielhauses, fast viereinhalb Stunden geht der Abend, für den Caroline Peters 2018 bereits zum zweiten Mal zur „Schauspielerin des Jahres“ ernannt wurde. Nun sitzt sie im Museumscafé des Hamburger Bahnhofs, isst ein Rührei, trinkt einen Ingwertee, muss gleich weiter zu einem Empfang anlässlich des Deutschen Filmpreises – und freut sich wirklich heftig über den Vorstoß des Theatertreffens: „Ich bin ein totaler Befürworter der Quote.
Man muss nicht so tun, als wäre dann die Auswahl der Qualität geringer. Jeder männliche Intendant wird mir natürlich widersprechen und sagen: Wir finden gar keine Frauen, wir hätten doch gern mehr Frauen – ich glaube das einfach nicht. Das ist nicht meine Erfahrung.“ Jungen männlichen Regisseuren würden selbst nach einem Flop weitere Versuche eingeräumt: „Dann können die sich rehabilitieren. Diese Chance gibt man Frauen nicht – und die Quote ändert das.“
Die Frauen sind auf der Strecke geblieben
Caroline Peters, die seit 2004 am Wiener Burgtheater engagiert ist, arbeitet mittlerweile selbst hauptsächlich mit männlichen Regisseuren. Nicht etwa, weil sie nicht mit Frauen arbeiten wollte: „Am Burgtheater sind Frauen absolut unterrepräsentiert“, sagt sie. In ihrem Lebenslauf stehen unter anderem René Pollesch, Nicolas Stemann, Stephan Kimmig, Martin Kušej, Luc Bondy, Matthias Hartmann, Jan Bosse, Roland Schimmelpfennig. Es ist das Who is Who des deutschsprachigen Theaterbetriebs.
Anfangs waren da auch Andrea Breth, Ingrid Lausund, Sandra Strunz, aber „mit meinen Regisseurinnen hätte ich keine Karriere bis in die heutige Zeit machen können“, fasst es Peters nüchtern zusammen. „Deshalb kommt man dann irgendwann zurück auf die Jungs, die man in diesem Alter kennengelernt hat. Die anderen, die Frauen, sind irgendwo auf der Strecke zurückgeblieben, zwischen Kindern und keinen zweiten Chancen.“
An diesem Montag eröffnet sie mit Antú Romero Nunes’ „Orestie“ das Hamburger Theaterfestival, für das sie im Juni als „Medea“ (wieder Simon Stone) erneut auf der Bühne des Schauspielhauses stehen wird.
Sie braucht sich kein Hollywood
Caroline Peters, die an der Berliner Schaubühne angefangen hat, bevor sie zum Jahrtausendwechsel zu Tom Stromberg ans Schauspielhaus kam, ist in der Form ihres Lebens. Sechs Inszenierungen spielt sie derzeit parallel am Burgtheater. Nestroy-Theaterpreise, Wildgruber-Preis, Grimme-Preis, gleich zweimal „Schauspielerin des Jahres“. Höher hinaus kann man als Theaterschauspielerin im deutschsprachigen Raum kaum kommen.
Sie transportiert eine große Kraft und Klarheit, als „Medea“ wird ihr eine „archaische Wucht“ attestiert. In „Hotel Strindberg“ fetzt sie sich mit Martin Wuttke bis aufs Blut, abgründig, boshaft, minutenlang geht das so. Simultanes Seelen-Zapping durch rundum toxische Beziehungen, frei nach August Strindbergs Dramen und dessen eigener Lebensgeschichte mit Sätzen, die der Autor mit dem Ensemble gemeinsam gefunden hat. Erarbeitet in den Proben, aufgeschrieben über Nacht. „Ich brauch’ sicher kein Hollywood, um eine Spur der Vernichtung zu hinterlassen“, lautet so einer, ein anderer, mit leidenschaftlichster Verachtung herausgebrüllt von Caroline Peters: „Ihr denkt, ihr seid cool, aber ihr seid einfach nur JUNG!“.
Mühevolle Arbeit
Sie trägt, wie alle Schauspieler im „Hotel Strindberg“, Mikroport, da die Szenen in sechs aufeinander gestapelten Hotelzimmern hinter Glas spielen. Man traut es dieser Frau allerdings, neben ihrem Partner Martin Wuttke wahrscheinlich, sofort zu, es mühelos auch ohne Verstärkung bis in den Rang zu schaffen. „Wenn jemand meint, bei ,Hotel Strindberg’ seien wir ja durch die Glasscheibe von den Zuschauern isoliert, dann kann ich nur sagen: Bei der ,Orestie’ sind wir durch die Literatur isoliert. Und das kann ich auch nicht durchbrechen“, sagt sie selbst.
Antú Romero Nunes’ „Orestie“ ist keine moderne Überschreibung, eher eine Hommage. Nunes bringt ein antikes Maskenspiel auf die Bühne, alle Schauspielerinnen verschwinden als Teil des Chores unter zieseligen Perücken und hinter dicker weißer Schminke, bis sie für ihre Soloparts aus der Gruppe heraustreten. „Schon sehr mühevoll“ nennt Caroline Peters die ungewohnte Arbeit. „Ich persönlich finde das chorische Sprechen einen Albtraum.“
Die Arbeitsweisen von Stone und Pollesch, dieses „miteinander Schreiben und Aufschichten“, sind ihr näher, daraus macht sie kein Geheimnis. „Ich finde es super, dass man mal überwindet, dass Theater immer Literatur sein soll. Theater ist das Gegenteil von Literatur! Theater soll ganz direkt mit den Leuten kommunizieren, wenn es gut ist. Das machen Simon Stone und René Pollesch. Die ,Orestie’ macht das nicht. Das kann man angucken und toll finden, aber es kommuniziert nicht. “
Peters war ganz eingeschüchtert
Dennoch sind alle drei Produktionen Erfolgsinszenierungen in Wien. Als Caroline Peters vom Schauspielhaus an die Burg kam, sei dort erst einmal „alles anders“ gewesen, erinnert sie sich, „ungeheuerlich eigentlich“: „Die Masse von Schauspielern, in der man verschwindet, das riesige Gebäude. Allein das Ensemble war dreimal so groß wie in Hamburg, die Garderoben doppelt so groß, die Gänge doppelt so lang.“ Am Anfang sei das einschüchternd gewesen. „Aber man expandiert sich selbst dann auch.“
Für sie war es der richtige Schritt, auch wenn sie die Hamburger Zeit rückblickend als ihre schönste empfindet: „Alle meine Theaterfreundschaften kommen aus dieser Zeit, meine ganze Generation hat sich da platziert. Zum ersten Mal hatten wir die Mittel an der Hand, die sonst immer nur die Älteren hatten. Das hat unter Tom Stromberg anfangs überhaupt nicht geklappt, aber die Begeisterung bei uns war trotzdem riesig.“
Keine Regisseurin kann Komödien
Sie lacht laut auf und verdreht die Augen. Längst lauscht das Ehepaar am Nebentisch ganz unverhohlen. Caroline Peters wird auch außerhalb des Theaterlebens erkannt, seit sie in der verschrobenen ARD-Serie „Mord mit Aussicht“ die Kommissarin Sophie Haas gespielt hat. Und ihre Stimme, tief und ganz leicht heiser, die trägt nicht nur, wenn sie auf einer Bühne steht.
Peters’ Komik ist eigenwillig, subtil, ein bisschen schrullig vielleicht, wie bei Bjarne Mädel, mit dem sie schon am Schauspielhaus und auch in „Mord mit Aussicht“ gespielt hat, wie bei Christoph Maria Herbst, als dessen Ehefrau sie im Kino zuletzt in Sönke Wortmanns Komödie „Der Vorname“ zu sehen war, und auch wie bei der Regisseurin Ingrid Lausund, mit der sie ebenfalls am Schauspielhaus gearbeitet hat und die als Mizzy Meyer die Drehbücher für den NDR-„Tatortreiniger“ schreibt.
Zum Fernsehen allerdings hat Caroline Peters auch einiges zu sagen: „Wie oft ich mir da anhören musste, dass sich keine Regisseurin findet, die unsere Serie inszenieren kann! Weil es keine Regisseurin gebe, die Komödie kann! Es ist wirklich grotesk. Und dann gibt es vielleicht zwei Frauen, denen Komödien zugetraut werden, die sind dann ausgebucht für die nächsten zehn Jahre. Den Rest macht der beste Freund vom besten Freund vom Produzenten, weil die sich untereinander so gut kennen. Mir war das nie egal.“
Es muss sich etwas ändern
Als sie die „Medea“ probte (auch wenn die in Stones Gegenwartsfassung „Anna“ heißt), wollten Journalisten ernsthaft wissen, ob sie es sich zutraue, so einen Abend zu tragen. Da war sie längst über 40, doppelte „Schauspielerin des Jahres“ und seit vielen Spielzeiten an den großen Bühnen engagiert. „Haben Sie Joachim Meyerhoff je so eine Frage gestellt?“ habe sie zurückgefragt, erzählt Caroline Peters, die belustigte Empörung ist ihr noch immer ins Gesicht geschrieben. „Natürlich wird Joachim Meyerhoff so etwas nicht gefragt. Und ist dessen Leben deswegen einfacher? Ja. Ist es.“ Sie lacht laut auf.
Der Ingwertee ist getrunken, das Rührei nur noch lauwarm. Das Thema ist eines, das diese Schauspielerin beschäftigt. „Das sind halt so die Sachen, mit denen man sich auseinandersetzen muss – und ich bin ehrlich froh, dass man die nun endlich auch mal laut und öffentlich sagen kann. Früher hat man das so geschluckt.“ Sie schüttelt den Kopf. „Ich bin sehr für eine Quote. Sonst ändert sich überhaupt nichts.“