Hamburg. Chef des Filmfestes über jüngste Teheraner Verhaftungen der Regisseure Rasoulof und Panahi. Filmfest will Panahis neues Werk zeigen.
Im Iran sind innerhalb weniger Tage mehrere Filmemacher verhaftet worden. Nachdem zunächst Mohammad Rasoulof, dessen Familie in Hamburg lebt, und Mostafa Al-Ahmad in Gewahrsam genommen worden waren, nahm die Polizei zum Beginn der Woche auch deren Kollegen Jafar Panahi („Taxi“) fest.
Rasoulof („Es gibt kein Böses“) wird unter anderem vorgeworfen, „die psychologische Sicherheit der Gesellschaft gestört“ zu haben. Ausschlaggebend war ihr Appell gegen Polizeigewalt, nachdem Proteste gegen Behörden aufgrund eines eingestürzten Hochhauses gewaltsam niedergeschlagen wurden. Albert Wiederspiel, Direktor des Hamburger Filmfests, beobachtet die Situation seit Jahren.
Filmfest-Chef im Interview über Lage im Iran
Hamburger Abendblatt: Die bekannten iranischen Berlinale-Gewinner Mohammad Rasoulof und Jafar Panahi sind in Teheran festgenommen worden, nachdem sie schon lange ihr Land nicht mehr verlassen durften. Haben Sie inzwischen etwas dazu aus dem Umfeld der Filmemacher gehört?
Albert Wiederspiel: Mohammad Rasoulof hatte einen Appell gegen Polizeigewalt gepostet: „Put your gun down“. Der Post ist allerdings schon zwei Monate her, da hat die Polizei ein bisschen gebraucht. Mohammad wurde in seinem Haus festgenommen, sie sind mit mehreren Leuten gekommen, um ihn zu holen, er wurde ins Teheraner Gefängnis Evin gebracht. Bei Protesten gegen diese Festnahme ist dann auch Panahi festgenommen worden. Die Polizei hat die Gelegenheit genutzt... Aber die gesamte iranische Filmbranche protestiert, mehr als 600 Leute haben beispielsweise innerhalb kürzester Zeit Petitionen unterschrieben.
Beiden war ihre Arbeit verboten, bei beiden aber wurde es offenbar vom Regime toleriert, dass sie weiter Filme gedreht haben. Was hat sich jetzt geändert?
Wiederspiel: Die Lage ist offenbar angespannt gerade. Es sind kürzlich auch vier iranische Dokumentarfilmerinnen verhaftet worden, allerdings sind sie auf Kaution wieder frei. Die Filme von Rasoulof und Panahi sind alle illegal entstanden, alle ohne Drehgenehmigung. Ja, man kann vermutlich sagen, dass es halbwegs toleriert wurde.
Viel Krach gab es zuletzt um einen Film, den wir auch auf dem Filmfest Hamburg zeigen werden: „Holy Spider“, der auch mit Mitteln aus der norddeutschen MOIN Filmförderung gefördert wurde. Dabei ist „Holy Spider“ im eigentlichen Sinne gar kein iranischer Film! Der Regisseur Ali Abbas ist iranisch-stämmig, lebt aber in Dänemark, die Produktion ist deutsch-dänisch-französisch, gedreht worden ist in Jordanien, auf Farsi.
Wiederspiel hält sich fern vom Iran
Das Filmfest Hamburg hat eine Mitarbeiterin, die vor Jahren das letzte Mal in den Iran geflogen ist, um dort Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Sie persönlich waren noch nie dort. Warum nicht?
Wiederspiel: Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre. Ein offen lebender Schwuler, ein Jude, ich bin alles, was sie nicht mögen, ich habe zu viele Kontakte mit Leuten, die sie nicht mögen.
Wie funktioniert Ihr Kontakt zur iranischen Filmszene dann?
Wiederspiel: Viel läuft über den iranischen Filmproduzenten Farzad Pak. Mit ein paar Leuten bin ich außerdem direkt über WhatsApp in Kontakt. Einige schreiben dort überraschend offen. Mohammad Rasoulof hat mir dazu mal erklärt, dass er sowieso nichts zu verlieren habe.
Wird das Filmfest Hamburg in diesem Herbst iranische Filme zeigen?
Wiederspiel: Ich denke, dass wir etwa zwei bis vier iranische Filme zeigen können. Wir haben ein großes iranisches Filmpublikum hier in Hamburg! Mohammad Rasoulof hat leider gerade keinen Film fertig, er wollte eigentlich dieses Jahr einen drehen, aber ob das noch wahr wird, wissen wir nicht… Jafar Panahi hat einen Film fertig. Den Titel kennt man noch nicht, die Umstände, unter denen diese Filme entstehen, sind ja immer kompliziert. Aber wir gehen davon aus, dass sein Film bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt wird – und dann im Herbst auch bei uns in Hamburg.
Das Filmfest Hamburg findet vom 29. 9. bis zum 8.10. in verschiedenen Kinos statt.