Niendorf-Stecknitz/Hamburg. Herrenhaus in Schleswig-Holstein soll Anlaufpunkt für geflüchtete Medienschaffende werden. Einst kehrte dort auch Axel Springer ein.
Ein Herrenhaus im kleinen Niendorf-Stecknitz bei Mölln als Anlaufpunkt für bedrohte Journalistinnen und Journalisten aus der ganzen Welt: Das ist die Idee der Hamburgerin Nicola von Hollander, die selbst in vierter Generation als Journalistin tätig ist. Sie verwaltet und vermietet Teile des „Herrenhauses von Hollander“ mit seinen 26 Zimmern, drei Küchen, fünf Bädern und mehreren Konferenz- und Arbeitsräumen – und pendelt selbst zwischen dem Familiensitz und Hamburg.
Im Garten auf dem insgesamt sechs Hektar großen Gelände mit Park erzählt von Hollander bei Kaffee und Kuchen von der Geschichte des Ortes: Ihr Großvater, Schriftsteller und Drehbuchautor Walter von Hollander, hatte das Haus 1939 übernommen. „Im Zweiten Weltkrieg war dieses ein Überlebenshaus“, sagt sie. „Und nach dem Krieg haben sich hier namhafte Medienvertreter wie Axel Springer oder Hugh Greene getroffen.“
Sicherer Hafen für Exil-Journalisten bei Mölln
Nun möchte von Hollander diese Tradition wieder aufleben lassen: „Rege Debatte, gegensätzliche Meinungen, Diskussionen. Das ist für mich die Grundlage von Demokratie. Wie eben auch Medienvielfalt und Pressefreiheit.“ Als Redakteurin des NDR-Medienmagazins „Zapp“ beobachtet sie seit Jahren die Erosion der Pressefreiheit weltweit. Der russische Angriffskrieg und ein Film, den sie im Februar dieses Jahres mit Kolleginnen und Kollegen aus der Ukraine und Russland gedreht hat, haben nun den Ausschlag für ein Projekt gegeben, das von Hollander starten möchte: das Haus als Anlaufpunkt für Exiljournalistinnen und -journalisten.
Sie vermietet ihren Familiensitz bereits seit Jahren als Arbeitsraum. So kann man das Haus über den Anbieter „CoWorkLand“, einer Gemeinschaft für Co-Working-Spaces im ländlichen Raum, etwa für Geschäftsgespräche, Trainings oder Seminare buchen.
Im ersten Anlauf kamen neun Journalisten aus Russland ins Herrenhaus
An einem heißen Tag im Juni diskutierten bereits neun Kolleginnen und Kollegen auf der Terrasse und in den Wohnzimmern. Sie waren für einen ersten Anlauf – einen viertägigen Workshop – in Niendorf-Stecknitz zusammengekommen. Unter ihnen waren Vertreter der Zeitung Nowaja Gaseta Europa, des unabhängigen Fernsehsenders Doschd, ein Mitarbeiter einer unabhängigen Onlinezeitung aus St. Petersburg, Blogger und ein Fotograf. Sie alle sind gefährdete Personen, denen bei der Rückkehr nach Russland mindestens eine Gefängnisstrafe drohen würde.
Sie kamen aus der Türkei oder Tschechien und werden im Anschluss weiter nach Georgien oder Berlin reisen. „Alle sagen, sie können wegen des verschärften Mediengesetzes nicht mehr nach Russland. Es war schon immer schwierig. Jetzt ist es fast unmöglich, ohne Willkür und Restriktion unabhängige Berichterstattung zu betreiben“, sagt von Hollander.
Wichtiges Zusammenspiel aus schnellem Internet und ländlicher Atmosphäre
Bei dem Workshop geht es darum, die Verbindungen zu erhalten: Mit wem kann man vor Ort in Russland wie in Kontakt bleiben? Und wie kann man Russinnen und Russen noch mit unabhängigen Nachrichten erreichen? Dabei stehen vor allem regionale und städtische Medien, Blogger und Influencer im Fokus.
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Das Zusammenspiel aus produktiven Arbeitsmöglichkeiten mit schnellem Internet und der Gelegenheit, in einer ländlichen Atmosphäre „runterzukommen“, seien dabei wichtig gewesen, sagt Organisatorin Elena Stein vom Berliner Center for Independent Social Research (CISR). „Das ist für viele Journalisten, die seit vielen Monaten heimatlos sind, notwendig.“
Auswärtiges Amt unterstützt den Verein
Der gemeinnützige Verein CISR, der sozialwissenschaftliche Forschungsprojekte unterstützt und unter anderem auch Journalisten in Kriegsberichterstattung schult, hat diesen ersten Workshop im „Haus für Exiljournalistinnen und -journalisten“ ausgerichtet und das Herrenhaus dafür angemietet. Dabei wurde der Verein vom Auswärtigen Amt unterstützt, 2700 Euro plus Eigenverpflegung fielen an Kosten an. Am Ende standen drei Konzepte, die die neun Medienschaffenden nun weiterentwickeln möchten.
Dieser Workshop soll aber erst der Anfang sein. „Auch in der Türkei und an anderen Orten werden Journalistinnen und Journalisten verfolgt und brauchen Ruheräume, um raus- und runterzukommen“, sagt Verwalterin von Hollander. Sie möchte, dass sich Medienschaffende künftig sechs Monate bis zu einem Jahr im Herrenhaus aufhalten können.
Sicherer Hafen für Exil-Journalisten bei Mölln
Durch ihren eigenen Hintergrund als Journalistin möchte von Hollander den Gästen als Ansprechpartnerin für Fragen zu Pressekodex oder deutschem Presserecht zur Verfügung stehen, sagt sie.
Um das Projekt umsetzen zu können, sucht von Hollander nun Unterstützerinnen und Unterstützer, strategisch wie finanziell. Um das Haus soll ein Netzwerk aus Medienhäusern, politischen Gremien und Projekten entstehen. Ob dies in Form einer Stiftung, eines Vereins oder ähnlichem stattfindet, ist noch offen.
Weitere Informationen unter herrenhausvonhollander.de