Hamburg. Vor 20 Jahren schrieb der Politiker mit seiner Frau eine Art Fortsetzung von Storms Novelle Schimmelreiter. Was die Produzentin sagt.
Vor 20 Jahren brachten der damals noch relativ unbekannte Robert Habeck und seine Frau Andrea Paluch den Roman „Hauke Haiens Tod“ auf den Markt, eine Art Fortsetzung von Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“. Ein erster Versuch, den Stoff zu verfilmen, scheiterte damals. Jetzt ist es so weit. Studio Hamburg dreht noch bis Ende der Woche eine Version der Deichgraf-Saga. Die Hauptrollen spielen Anton Spieker und Philine Schmölzer, Regie führt Andreas Prochaska. Das Abendblatt sprach mit Produzentin Kerstin Ramcke.
Hamburger Abendblatt: Sie haben in den vergangenen Tagen in Nordfriesland gedreht. Wie geht es weiter?
Kerstin Ramcke: In dieser Woche sind wir noch in Niedersachsen, in Dornum in der Nähe von Langeoog, das einen der ältesten Häfen an der ostfriesischen Küste besitzt. 1651 wurde es bei einer Flut zerstört. Das wird eine sehr aufwendige Woche, weil wir dann den gesamten Showdown mit der großen Sturmnacht drehen wollen. Danach wollen wir durch sein.
Robert Habecks moderne „Schimmelreiter“-Variante
Wie läuft es bisher?
Ramcke: Gut. Es wird ein sehr aufwendiger Eventfilm. Wir haben viele Elemente an Bord, die über einen normalen Film hinausgehen: zwei Zeitebenen, einen großen Sturm, ein Kind, ein Pferd. Die ersten Muster sehen toll aus.
Detlev Buck spielt Hauke Haien. Die Rolle hat ihm doch bestimmt gefallen, oder?
Ramcke: Er ist hier gerade am Set und hat großen Spaß. Er macht es auch super.
Storms „Schimmelreiter“ ist aus dem Jahr 1888. Was hat uns so ein Stoff heute noch zu sagen?
Ramcke: Wir beziehen uns in erster Linie auf den Roman von Andrea Paluch und Robert Habeck. Die haben eine moderne „Schimmelreiter“-Variante geschrieben. Es geht um das ewig wiederkehrende Thema Mensch gegen Natur. Auch um die Hybris des Menschen, der denkt, er könne die Natur irgendwie beherrschen. Das gelingt natürlich nur zum Teil. Haien war ein Vordenker, was bestimmte Techniken der Landgewinnung und -sicherung anging.
Das sind Themen, die in allen Küstenländern mit steigenden Meeresspiegeln jetzt noch auf der Tagesordnung stehen. Das Geschehen ist zwar lange her, aber immer noch nicht vorbei. Auch wenn die Technik seit Storms Zeiten vorangeschritten ist, hat sich an den Problemen nicht so wahnsinnig viel verändert. Wir haben immer noch Extremwetterlagen, die katastrophale Schäden hervorrufen.
Bei Storm wird Haien beschuldigt, nur Deichgraf geworden zu sein, weil er die Tochter des Vorgängers geheiratet hat. Bleibt das Motiv?
Ramcke: Das ist bei uns auch so. Er hat eingeheiratet in die Familie und dadurch den großen Hof bekommen. Allerdings ist ein Deichgraf auch eine gewählte Position. Aber es gibt Streit mit Bürgermeister Ole Peters, der selbst Anspruch auf das Erbe erhebt, weil er der Cousin von Haiens Vorgänger ist. Er fühlt sich bestärkt, als klar wird, dass die Tochter von Haien behindert ist.
Preisgekrönter Regisseur für Habecks Roman
Storm bekennt sich in seinem Text zur Humanität, aber nicht nur, oder?
Ramcke: Er schildert, wie man dem fahrenden Volk ein kleines Mädchen abgekauft hat, weil etwas Lebendiges in den Deich eingegraben werden sollte. Dadurch war das Dorf verflucht und ist in der Sturmflut untergegangen. Normalerweise hat man dafür Tiere genommen. Das ist der gruselige Hintergrund.
Welche eigenen Akzente haben die Drehbuchautoren Daniela Baumgärtl und Constantin Lieb gesetzt?
Ramcke: Sie haben die Geschichte konzentriert und sich sehr mit den heutigen Hauptfiguren Iven und Wienke beschäftigt, auch wenn die natürlich bereits bei Paluch und Habeck angelegt sind. Sie haben auch ein paar Sachen weggelassen, weil wir gar nicht alles erzählen konnten, und dadurch eine eigene Handschrift mit eingebracht. Mit dem preisgekrönten österreichischen Regisseur Andreas Prochaska haben wir einen hervorragenden Filmemacher gefunden, der das Drehbuch mit seinem Kameramann Felix Novo de Oliveira bildgewaltig und fesselnd inszeniert.
Sind Habeck und Paluch an dem Projekt beteiligt?
Ramcke: Nein. Die Nordfilm hat die Rechte von ihnen erworben. Beide haben sich gefreut, dass wir das Buch verfilmen. Sie kennen das Drehbuch und waren sehr damit einverstanden. Erstmals haben wir uns die Rechte der Romanvorlage bereits kurz nach Erscheinen des Werks 2001 gesichert. Doch die Suche nach den richtigen Partnern hat gedauert. Vielleicht war das Buch seiner Zeit voraus.
Die Hauptfiguren sind keine strahlenden Helden, sondern eher vielschichtig. Schließlich stieß vor ein paar Jahren dann die ARD Degeto dazu, mit der wir schnell die gleichen Visionen teilten. Die verantwortlichen RedakteurInnen Claudia Luzius und Christoph Pellander haben wie wir das hohe Verfilmungspotenzial des Werks gesehen.
- Habeck will Energie sparen – und bekommt Gegenwind
- Die neue Sprache der Politiker
- "Heinrich Vogeler" – Ein Film, wie eine Therapiesitzung
Neben der weiteren Produzentin Katinka Seidt ist nicht nur der Kieler Wilfried Hauke als ausführender Produzent mit an Bord, sondern er hat auch indirekt den Cast mit aufgefüllt?
Ramcke: Genau. Seine Enkeltochter spielt Wienke im Alter von fünf Jahren und macht das ganz toll. Er freut sich sehr darüber.
Wissen Sie schon, wie es weitergeht?
Ramcke: Abgabetermin ist im November. Aber es gibt noch keinen Sendetermin. Vermutlich wird der Film in der ersten Jahreshälfte 2023 gezeigt. Vielleicht kommen wir ja noch irgendwo auf ein Festival. Das wäre sehr schön.
Es ist eine enorm deutsche Geschichte, aber sie hat auch etwas Universelles, oder?
Ramcke: Und etwas Internationales. Es geht viel um Schuld, Vergangenheitsbewältigung und Identitätsfindung. Wir haben tolle Motive in Schleswig-Holstein gefunden: auf Eiderstedt und fast an der dänischen Grenze.