Trappenkamp. Luis Brandt ist Hauptdarsteller des Kurzfilms „Beben“. Dieser hat viel mit seinem persönlichen Schicksal zu tun.
Luis Brandt aus Trappenkamp gab seiner unbändigen Freude auf Instagram ein Ventil: „Der Film ,Beben’, in dem ich die Hauptrolle spielen durfte, hat seine Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes. Was für ein Start! Ich bin einfach sprachlos und sehr glücklich.“ Luis Brandt spielt in dem Film der Problemkind Filmproduktion Leon, einen Jungen, der von infantiler Zerebralparese zu einem Leben im Rollstuhl gezwungen wird. Der 23-jährige Brandt kennt das aus dem wahren Leben. Er lebt mit dieser Störung des Nervensystems und der Muskulatur.
Nun hat der Film mit dem Jungen aus dem Kreis Segeberg also die ganz große Bühne an der Croisette in Cannes. In dem Kurzfilm steckt nicht nur Trappenkamp, sondern auch eine ganze Menge mehr Schleswig-Holstein. Drehorte waren Kiel und Dithmarschen. Mit dem inklusiven Thema hat es der mit 12.000 Euro von der Moin-Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein unterstützte Kurzfilm in den Wettbewerb „Quinzaine des Réalisateurs“ in Cannes geschafft. Für die Produzentin Annika Birgel und die Problemkind-Produktion ein Riesenerfolg.
Auch der Regisseur kennt das Leben im Rollstuhl
Regie führte bei „Beben“ Rudolf Fitzgerald Leonard. Erzählt wird die Geschichte eines Therapieunfalls. Wie es ist, wenn man von einem auf den anderen Tag auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen ist, weiß
Regisseur und Drehbuchautor Rudolf Fitzgerald Leonard nur zu gut. Ein schwerer Unfall zwang ihn im Alter von 14 Jahren für lange Zeit in den Rollstuhl. „Was mich aus dieser Zeit bis heute begleitet und fasziniert, ist die enge Verbindung, die in kürzester Zeit zwischen Patient und Therapeut entsteht“, sagt Fitzgerald Leonard gegenüber dem Magazin der „Moin“-Filmförderung.
Im Zentrum des Films stehen die Physiotherapeutin Mina (Lilian Mazbouh) und ihr jugendlicher Patient Leon (Luis Brandt), der mit infantiler Zerebralparese lebt. Während einer Therapiesitzung im Therapiebecken kommt es zu einem Zwischenfall, der von ein paar unbeteiligten Personen mit dem Handy aufgezeichnet und ins Internet gestellt wird. Das Video und die Verbreitung in den sozialen Medien haben weitreichende Folgen für die zwei Hauptprotagonisten.
Luis Brandt half der Produktion, Stereotype zu vermeiden
Im Magazin der Filmförderung äußert sich die Produzentin über den Entstehungsprozess des Films. „Luis stieß bereits sehr früh zum Projekt hinzu und ließ seine Erfahrungen als Co-Autor mit ins Drehbuch einfließen“, sagt Annika Birgel, die den Kurzfilm mit ihrer Berliner Firma Problemkind produziert hat und auch am Drehbuch mitschrieb. Entdeckt hat sie den jungen Nachwuchsschauspieler auf YouTube, wo
Brandt regelmäßig Content postet. „Dort habe ich ihn dann angeschrieben – und kurze Zeit später gehörte er mit zum Team. Wir haben viel über Stereotypen und Inklusion im deutschen Kino gesprochen, und Luis hat uns erzählt, was er im deutschen Film aktuell vermisst beziehungsweise anders machen würde. Das hat uns und dem Film sehr geholfen“, so Birgel.
Zwischen der ersten Idee und dem eigentlichen Dreh vergingen rund drei Jahre. Nachdem die Dreharbeiten im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden mussten, konnte das Team im Juni 2021 endlich loslegen. Gedreht wurde an sechs Tagen in Schleswig-Holstein, unter anderem in der Schwimmhalle im Sportzentrum der Christian-Albrecht-Universität Kiel sowie im Reha-Haus Buchholz in Dithmarschen. „Schleswig-Holstein gilt für viele Deutsche als Erholungsziel im eigenen Land. Und hier gibt es viele Therapieeinrichtungen – für unser Thema also perfekt. Außerdem hat man viele Orte in Schleswig-Holstein noch nicht auf der großen Leinwand gesehen. Das Reha-Haus in Buchholz war einzigartig und auch die Schwimmhalle an der Uni in Kiel hat eine tolle Architektur“, schwärmt Birgel.
Die Macht der Sozialen Medien ist das Unterthema des Films
Neben dem Thema Inklusion und der Beziehung zwischen Therapeutin und Patient spricht der Film noch ein weiteres Thema an: die Macht der sozialen Medien. Es ist ein Leichtes, einen Videoclip anonym ins Netz zu stellen, der vielleicht erhebliche Konsequenzen für das Leben der Personen hat, die im Video zu sehen sind. „Wir wollten mit ‘Beben’ beleuchten, wie schnell sich die Öffentlichkeit eine Meinung bildet, abseits von richtig oder falsch“, sagt Regisseur Rudolf Fitzgerald Leonard.
In Cannes haben sie mit ihren Themen bei der Jury einen Nerv getroffen. Wie fühlt es sich an, beim wichtigsten Filmfestival der Welt Premiere zu feiern? „Das ist wirklich ein unbeschreibliches Gefühl – ich musste die Zusage aus Cannes mehrmals lesen, um es zu glauben“, sagt Produzentin Birgel. Und egal was in Cannes passiert, „Beben“ wird definitiv nicht die letzte Zusammenarbeit zwischen Birgel und Fitzgerald Leonard bleiben. Mit dem Film „Porzellan“ steht schon das nächste Kurzfilmprojekt der beiden in den Startlöchern, das übrigens im Sommer 2022 auch wieder an sechs Tagen und auch wieder in Schleswig-Holstein gedreht werden soll. Vielleicht eine geheime Erfolgsformel? Spätestens nächstes Jahr wissen wir mehr.