Hamburg. Antú Romero Nunes' verfahrene Inszenierung im Thalia Gaußstraße – zu frei nach Homer. Aufgesetzte Heiterkeit nervt.

Odysseus ist tot. Seine 20-jährige Irrfahrt endet in einem Sarg auf der Insel Ithaka, betrauert wird der Held des Trojanischen Krieges von seinen Söhnen, den Halbbrüdern Telemachos und Telegonos. An der Wand hängt ein großes Bild des Verstorbenen. Es zeigt Kirk Douglas. Der Hollywood-Star ist in Antú Romeros Nunes’ „Odyssee“-Inszenierung geraten, weil er 1954 in einem italienischen ­Monumentalfilm den Herrscher von Ithaka gespielt hat. Es soll nicht die einzige Anspielung auf Kino und Pop an diesem Theaterabend im Thalia Gaußstraße bleiben.

Telemachos und Telegonos, gespielt von Thomas Niehaus und Paul Schröder, kennen sich nicht. Sie irren mit einem Tuba-Koffer und einem Kranz auf der Bühne herum, realisieren allmählich, dass der Vater mehr als einen Sohn ­gezeugt hat, und beschnuppern sich an dessen Sarg. Sie sprechen in einer Art Dänisch, was anfangs ganz witzig wirkt, für einen Teil des Premierenpublikums jedoch zu viel der Komik ist.

Viele Fragen am Ende des Abends

Eine ganze Reihe von Zuschauern verlässt vorzeitig den Theatersaal. Warum Nunes diesen Einfall benutzt hat, erschließt sich nicht. Vielleicht weil Kirk 1958 in „Die Wikinger“ auch mal einen germanischen Helden gespielt hat? Am Ende des zweistündigen Abends bleibt nicht nur die Frage nach der Sprache unbeantwortet.

Die von Homer beschriebene Irrfahrt des antiken Heroen und seine Heimkehr bietet eine Reihe von erzählerischen Möglichkeiten. Auch eine ­Dekonstruktion der mythischen Welt hätte vielleicht einen spannenden Theaterabend ergeben. Nunes macht aus der Vorlage eine Nummernrevue mit viel Kasperei, mit Zaubertricks, mit Sumo-Ringen und anderen absurden Einfällen.

Zwischendrin erklingt eine Melodie aus dem Italo-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“, der Bezug erschließt sich nicht, aber Morricone geht ja immer. ­Zuweilen wirken die beiden Schauspieler wie die verlorenen Figuren aus einem Kaurismäki-Film, am Ende stürmen sie mit aufheulenden Motorsägen im Dunklen durch den Zuschauerraum, ein Gag, den schon der amerikanische Performer Jim Rose in den 90er-Jahren in seiner Zirkusshow benutzt hat.

Was will der Regisseur erzählen?

Niehaus und Schröder ziehen alle Register ihres komischen Talents und ihrer schauspielerischen Möglichkeiten. Sie setzen in diesen absurden Szenen immer noch einen drauf, erweisen sich als passable Hobbyzauberer und Seifenblasen-Künstler. Doch das Sammelsurium an Gags nutzt sich bald ab. Immer wieder gibt es auch Zitate aus Homers Epos, wenn die Brüder sich an die Taten ihres Vaters ­erinnern, doch es bleibt die wichtige Frage: Was will der Regisseur eigentlich erzählen?

Odysseus’ Irrfahrt findet seine Entsprechung in der Gegenwart der Gaußstraßen-Bühne. Nunes und die Schauspieler irren durch ein Geflecht aus literarischen, ­cineastischen und musikalischen Zitaten, mal mehr, mal weniger komisch. Gelacht wurde allerdings viel, weil viele Claqueure und Schauspielschüler da sind, die sich schon vor Lachen ausschütten, wenn Niehaus nur die Bühne betritt.

Diese aufgesetzte Heiterkeit nervt zusätzlich zum wirren Geschehen auf der Bühne. „Die Odyssee“ ist Antú Nunes’ bisher schwächste Arbeit am Thalia. Der Regisseur hat dort jedoch schon so viele großartige Stücke inszeniert, dass man ihm diese Irrfahrt verzeiht.

„Die Odyssee“ wieder Mo 22.5., Mo/Di 29./30.5., Thalia Gaußstraße (Bus 2),
Gaußstraße 190, Karten 22,-/erm. 10,-