Hamburg. Stefan Herheims Inszenierung von „Le Nozze di Figaro“ wurde bei ihrer Premiere an der Hamburgischen Staatsoper vom Publikum gefeiert.

Wenn ein Opernhaus sich einen neuen „Figaro“ bestellt, muss der lange halten können, ohne schon bald streng zu riechen. Die letzte Hamburger Version dieses Pflichtstücks, 1990 von Johannes Schaaf inszeniert, wurde nach einem rechtschaffen durchgespielten Vierteljahrhundert im Sortiment nun von einer intelligent angegangenen und durchaus ansehnlichen Neubetrachtung abgelöst. Der Norweger Stefan Herheim, der in Hamburg bei Götz Friedrich gelernt und seitdem eine langfristig steile Karriere gemacht hat, stellte dafür einerseits den Ensemblegedanken in den Mittelpunkt der Staatsopern-Bühne. Was ja nie verkehrt ist, erst recht nicht bei dieser Oper.

Andererseits war diese von Christof Hetzer toll gezauberte Bühne selbst das gedankliche Fundament für den Plot und seine Erzählweise und spielte so eine weitere Hauptrolle. Denn sie bestand vor allem aus der Musik – ein sich nach hinten verengender Kasten, tapeziert mit 1500 „Figaro“-Notenblättern in Mozarts Handschrift, mit einem zentral aufgebockten Doppelbett als Startrampe, Ziel, Zweck und Sehnsuchtsort für die mal lustigen, mal lüsternen Gefühlsverknotungen der Geschichte um Verführung und Vergebung. Und selbst wenn ein Ensemble irgendwann in den nächsten 25 Jahren mit weniger gutem Willen als für diese Premiere zusammenkommen sollte – man bekäme fast immer eine Menge Nettes zu sehen. Das fängt bereits während der Ouvertüre an, für die sich die Video-Spezialisten von fettFilm einige reizende Zeichentricksereien einfielen ließen.

Doch wenn ein Opernhaus wie Hamburg, gerade mit frischem Leitungsteam hochmotiviert am Start, sich einen neuen „Figaro“ als zweite Premiere im Großen Haus verordnet, sollten die Stimmen nicht nur zweitligasolide sein, wie es hier in tragenden Rollen der Fall war. Wilhelm Schwinghammers Figaro war so robust belastbar, wie man es als was auch immer von ihm gewohnt ist. Nicht weniger, nicht mehr. Die Gräfin von Iulia Maria Dan? Keine Charakterformerin, die in ihren weltstoppenden Arien-Auftritten zu Tränen rühren kann, eher eine Wertarbeiterin, die singt, bis sie aufhört. Kartal Karagediks Almaviva? Noch ausbaufähig, Dorottya Lángs Cherubino ebenso. Katerina Tretyakovas Susanna entsprach noch am sinnlichsten den stimmlichen Anforderungen. So gehört, war diese vom Premierenpublikum energisch-euphorisch gefeierte Mozart-Produktion ein Schritt in eine richtige Richtung. Aber noch längst nicht über die Zielgerade.

Das gilt auch für die Arbeit mit dem Orchester. Als historisch informierten Mozart-Gast hatte Intendant Georges Delnon den Italiener Ottavio Dantone engagiert, der aus der Alte-Musik-Szene kommt und dort einige Meriten vorzuweisen hat. Im Prinzip eine reizvolle Idee. Doch mit Abenteurern wie René Jacobs oder neuerdings Theodor Currenztis im Hinterkopf wird es schwierig, Dantones im Laufe des Abends immer langatmiger gewordenes Dirigat für mehr als ein Zeichen guten Willens zu halten, auch wenn die Klangwirkung des Orchesters schon erkennbar ehrgeizig war. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Mozart in Hamburg in Idealform, von jetzt auf gleich, weil neue Chefs im Haus sind, das wäre nicht weniger als ein Wunder gewesen.

Eine ausführliche Kritik lesen Sie in der Dienstag-Ausgabe vom Hamburger Abendblatt.