Hamburg. Wer noch Geschenke sucht, aufgepasst: Hier gibt es die Literaturauslese. Und außerdem die größten Flops von 2022.
Wenn man sich die etlichen hasserfüllten Reaktionen auf sein Buch und – Achtung, der Pronomen-Wechsel ist Absicht – ihren Triumph ansieht, hat Kim de l’Horizon das ganz sicher mutigste Buch des Jahres geschrieben. Wer sich nicht eindeutig als Mann oder Frau identifiziert und über diese non-binäre Existenz ein Werk wie „Blutbuch“ vorlegt, überfordert manch eine und manch einen. Falscher macht das die Entscheidung der Jury des Deutschen Buchpreises nicht, das „Blutbuch“ zum deutschsprachigen Roman des Jahres auszurufen.
Literatur-Tops und Flops: Die besten Bücher des Jahres
Bei Literaturhaus-Chef Rainer Moritz hat es Kim de l’Horizon knapp nicht in die Top Ten der besten Romane des Jahres geschafft. Dafür sind zum Beispiel die Hamburgerin Claudia Schumacher und Claire Keegan vertreten. Gerade, was Schumacher angeht, stimmen wir uneingeschränkt zu.
Immerhin hat sie ja auch das „Hamburger Buch des Jahres“ geschrieben mit ihrem im Formulierungsfuror verfassten „Liebe ist gewaltig“. Verbale und physische Gewalt in einem bürgerlichen Haushalt, man las gebannt davon.
Das Literaturjahr 2022 war ein gutes
Wobei die Kategorie des Gebannt-Lesens im Zweifel immer der Goldstandard einer gewinnenden Lektüre ist. Das Literaturjahr 2022 war ein gutes, das lässt sich aus der Zusammenschau der Romane sicher sagen. Mit unter anderem Dörte Hansen, Michel Houellebecq und Heinz Strunk waren es einige namhafte Autorinnen und Autoren, die literarische Frischware nachschoben.
Aber allein Heinz Strunk, der Ostsee-Porträtist mit seinem Nummer-eins-Bestseller „Ein Sommer in Niendorf“, lieferte auch gleich den Soundtrack zum Buch. Im Hinblick auf das Suff-Thema seines Buchs konnte der dann nur ein Ballermann-Hit mit dem Titel „Breit in 100 Sekunden“ sein.
In der Jahresend-Ausgabe des Literatur-Podcasts Next Book Please wird außer über Strunk, Schumacher und Keegan unter anderem auch über die neuen Bücher von Karl Ove Knausgård („Der Morgenstern“), Andreas Stichmann („Eine Liebe in Pjöngjang“), Lize Spit („Ich bin nicht da“), Wolf Haas („Müll“) und Ralf Rothmann („Die Nacht unterm Schnee“) gesprochen, die es alle in die illustre Runde der Top-Autoren 2022 geschafft haben.
Was war das denn, Martin Suter?
Ausgespart wird dagegen der größte Literatur-Flop des Jahres. An dieser Stelle sei er genannt: Für Rainer Moritz ist Martin Suters völlig missratener Schweinsteiger-Roman „Einer von euch“ das vermutlich schlechteste Buch des Jahres, zumindest aber eine herbe Enttäuschung.
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Wir nennen jetzt als Flop auch noch Celeste Ngs lähmend holzschnittartige Dystopie „Unsre verschwundenen Herzen“ und Julian Barnes’ frustrierend grob gestrickte Bildungshuberei „Elizabeth Finch“, schweigen aber darüberhinaus über den ein oder anderen schlechten Roman, der uns außer den genannten für die Flop-Liste einfiele.
Und stimmen mindestens halbwegs dem Literaturhaus-Chef zu, wenn er sagt: „Die Dauerbeschallung mit ‘autofiktionalen’ Texten beziehungsweise die Nobilitierung von irgendwie autobiografischen Texten zu autofiktionalen war eine Besonderheit dieses Jahres.“