Hamburg. „Revolution – The History of Turntable Design“ feiert den Plattenspieler und seine Vorläufer – mit spektakulären Fotos.

Es beginnt mit einem Geständnis. Auch Gideon Schwartz, ehemals Rechtsanwalt und Gründer der US-Firma Audioarts, hat sich in den späten 1980ern und frühen 90ern verführen lassen. Auch er ist damals dem Sirenengesang einer Industrie verfallen, die die Compact Disc als Paradies für Musikhörer pries und mit einem beispiellosen Werbeaufwand durchsetzte.

Der Untergang der Schallplatte und des Plattenspielers: nicht aufzuhalten, so schien es lange. Und warum auch. Endlich kein Knistern mehr, kein Wechseln der Plattenseite nach gut 20 Minuten, stattdessen klinisch-störungsfreie Dauerbeschallung.

Plattenspieler: Eine neue entflammte Liebe

Doch nicht nur der Musiker Brian Eno hatte bald genug und erklärte: „Ich hasse es, wie die CD einfach so vor sich hinläuft und man sich irgendwann gar nicht mehr für das interessiert, was da zu hören ist.“ Auch Gideon Schwartz hatte plötzlich das Wunder des Analogen, des Plattenspielers und der dazugehörenden Tonträger wiederentdeckt. Eine neu entflammte Liebe, die nun in das Buch „Revolution – The History of Turntable Design“ gemündet ist.

Gideon Schwartz:  „Revolution – The History of Turntable  Design“, Phaidon, 264 Seiten, ca. 85 Euro.
Gideon Schwartz: „Revolution – The History of Turntable Design“, Phaidon, 264 Seiten, ca. 85 Euro. © Phaidon

In ihm blättert er die Geschichte dieser Abspielgeräte jahrzehnteweise auf, vom Phonautograph des Jahres 1857 bis zu den Hightech-Geräten unserer Zeit, die manchmal einem Science-Fiction-Film entsprungen zu sein scheinen. So berichtet Schwartz natürlich von Pionieren wie Thomas Alva Edison und Emile Berliner, beschreibt auch, wie das Grammophon schon ab 1908 Japan eroberte. Ein Land, das später führend in der Plattenspieler-Technologie werden sollte.

Was sich an spektakulären Fotos findet, ist beispiellos

Interessant zu lesen, wie sich in den 50er-Jahren die Langspielplatte mit 33 Umdrehungen pro Minute durchzusetzen begann, vorangetrieben durch die Firma Columbia, die den Konkurrenten RCA Victor mit ins Boot holen wollte. Doch dort war man verschnupft und mochte nicht Juniorpartner sein. Also konterte man mit einem Plattenwechsler, der es erlaubte, Singles (45 Umdrehungen/Minute) sehr schnell hintereinander abzuspielen. Was schließlich Erfolg hatte, ist bekannt ...

Die Diamantnadel, die wir heute noch kennen, kam auf den Markt, ebenso eine Vielzahl an Hi-Fi-Magazinen. Und so geht es in „Revolution“ weiter: Mit dem Siegeszug von Stereo ab den 60ern, mit dem Aufkommen der sündhaft teuren High-End-Geräte in den 70ern, mit dem legendären Technics SL-1200, der von DJs weltweit tatsächlich immer noch benutzt wird. Und natürlich mit dem Niedergang von Plattenspielern und Schallplatten ab den späten 80ern.

Tragbares Grammophon von C. H. Gilbert & Co., circa 1920.
Tragbares Grammophon von C. H. Gilbert & Co., circa 1920. © Auction Team Breker

Das alles ist auf Englisch beschrieben, doch eine eventuelle Sprachbarriere wird durch die etwa 250 Abbildungen, die den Großteil dieses Prachtbands ausmachen, ausgeglichen. Was sich hier an spektakulären Fotos findet, ist beispiellos und ein Fest für Phono-Fans.

Kurios und cool: Ein Plattenspieler, der wie ein Holzhocker aussieht

Dabei reicht das Spektrum von historischen Aufnahmen der ersten Grammophone über Werbeanzeigen etwa mit Enrico Caruso und die legendäre Wurlitzer-Box aus den 50ern bis zu Designobjekten, die als Kunstwerke jeden Raum schmücken, ohne auch nur einen einzigen Ton abzuspielen. Das gilt für den an einen Holzhocker (aufgeklappt an einen Stuhl) erinnernden Plattenspieler im Stil des finnischen Architekten Alvar Aalto ebenso wie für das futuristische Space-Design des Apollo-711-Plattenspielers des kanadischen Herstellers Electrohome. Besonders schrill: der kreischorangene Kompaktplattenspieler von Europhon.

Natürlich geht es in diesem Buch auch um allseits bekannte Firmen wie Dual, JVC, Kenwood, Philips und Sony, doch besonders interessant sind die Spezialisten, etwa die britische Firma Transcriptors, die 1964 den sehr futuristischen Hydraulic Reference Turntable vorstellte, der prominent in Stanley Kubricks Filmklassiker „Uhrwerk Orange“ zum Einsatz kam. Oder das 165 Kilogramm schwere Abspielmonster Gabriel Reference MKII Monument, das etwa 50.000 Euro kostet.

Preise nennt Gideon Schwartz grundsätzlich nicht und viele der hier gezeigten Stücke sind wohl auch museumsreif oder potenzielle Auktionsware, jedenfalls nicht im Laden zu bekommen. Aber natürlich ist dies ohnehin kein Einkaufskatalog, dürften doch nur die wenigsten, die in diesem Buch blättern, über die finanziellen Mittel verfügen, um sich eine High-End-Anlage mit einem der abgebildeten Plattenspieler leisten zu können – entsprechende Verstärker, Vorverstärker, Boxen, Kabel müssten dann ja auch sein ...

Gut 165 Kilogramm wiegt der Gabriel  Reference MKII Monument Plattenspieler der Schweizer Firma DaVinciAudio Labs.
Gut 165 Kilogramm wiegt der Gabriel Reference MKII Monument Plattenspieler der Schweizer Firma DaVinciAudio Labs. © DaVinciAudio Labs GmbH/rolf neeser

Wie schon der Vorgängerband „Hi-Fi – The History of High-End Audio Design“ ist auch „Revolution“ eine Ode an die Welt des Analogen, an den ganz bewussten Musikgenuss. Und so schreibt Schwartz in seinem Resümee, Musik auf Schallplatten zu hören, erfordert natürlich mehr Einsatz als bloßes Streaming im Internet. Doch der Wunsch vieler Menschen nach Authentizität sei ungebrochen und solange das so bleibe, werde es Plattenspieler geben. Klingt gut.