Terézia Morias Roman „Das Ungeheuer“ ist zugleich Roadtrip eines Witwers, Tagebuch einer Depression und geglücktes formales Experiment.
Frankfurt/Hamburg. Terézia Moras Buch „Das Ungeheuer“ ist der beste Roman des Jahres. Diese Entscheidung gab die Jury des Deutschen Buchpreises gestern Abend im Frankfurter Römer bekannt. Die wichtige Auszeichnung ist insgesamt mit 37.500 Euro dotiert, von denen Mora 25.000 Euro bekommt.
Mit der Wahl der 1971 im ungarischen Sopron geborenen Schriftstellerin lässt sich gut leben. „Das Ungeheuer“ ist der vierte Roman der in Berlin lebenden Mora und ihr bislang bester. Er erzählt auf berührende Weise die Geschichte eines Witwers und gleichzeitig die der Frau, die er verlor. Darius Kopp, ein Durchschnittstyp. fährt nach dem Freitod seiner Frau Flora mit deren Asche durch Osteuropa, um sie dort zu bestatten. Wer war dieser Mensch? Kannte er sie überhaupt richtig? Im Zuge seiner Reise wird dies immer zweifelhafter. Er hat sich ihr auf Ungarisch verfasstes Tagebuch übersetzen lassen. Und jetzt liest er. Von den verzweifelt und zweifelnd zu Papier gebrachten Gedanken seiner Frau, die nach dem Verlassenwerden durch die Mutter im Kindesalter einen Grundmakel mit sich herumschleppt und später nie ihren Platz in der Welt findet. Es ist ein quälender Diskurs über das, was Ärzte eine Angststörung oder Depression nennen – für ihren Ehemann war das, was er von seiner Frau immer wahrnahm, eine Art Nervenschwäche.
Es verläuft eine Grenze des Verstehens zwischen den beiden Eheleuten, die sich erst nach ihrem Tod aufhebt. Das ist das tragische an Kopps Existenz, aber er hätte auch in Kenntnis ihrer Krankheit Flora nicht helfen können. Das Buch Moras ist, ein genialer Einfall, auf jeder Seite zweigeteilt: Oben wird der Roadtrip des Mannes geschildert, unten lesen wir im Tagebuch seiner Frau. „Als Schriftstellerin gelingt es Mora, zwei Charaktere, die sich im Leben verfehlten, und zwei Textformen miteinander in Verbindung zu setzen. Terézia Mora vereint hohes literarisches Formbewusstsein mit Einfühlungskraft“, heißt es in der Begründung der Jury. Weiter urteilt das Gremium, dass Terézia Mora in „Das Ungeheuer“ eine radikale Form finde, dem Leiden Floras eine Stimme zu geben.
Auf der Shortlist des Buchpreises standen neben Terézia Mora Clemens Meyer („Im Stein“), Marion Poschmann („Die Sonnenposition“), Reinhard Jirgl („Nichts von euch auf Erden“), Monika Zeiner („Die Ordnung der Sterne über Como“) und der Hamburger Mirko Bonné („Nie mehr Nacht“).