Hamburg. Im Kleinen Saal der Elbphilharmonie wurde an den Pianisten Karlrobert Kreiten erinnert. Auch das musikalische Programm überzeugte.
„Eines der größten Klaviertalente“, sagte immerhin der legendäre Claudio Arrau über seinen Meisterschüler Karlrobert Kreiten (1916–1943). Der äußerte sich 1943 im privaten Kreis kritisch über Hitler („geisteskrank“) und meinte, dass der Krieg bereits verloren sei. Eine (vermeintliche) Freundin seiner Eltern denunzierte ihn. Kreiten wurde verhaftet und zum Tode verurteilt.
Karlrobert Kreiten: Von den Nazis ermordet, aber nicht vergessen
Sein Schicksal – und das anderer Personen – stellt der Historiker Oliver Hilmes ins Zentrum seines Buches „Schattenzeit. Deutschland 1943“ (Siedler Verlag). Ein Gesellschaftspanorama in Kriegszeiten. Jetzt gab es im Kleinen Saal der Elbphilharmonie beim Harbour Front Literaturfestival einen moderierten Abend zum Thema. Pianist Florian Heinisch bot Werke aus dem letzten, zwar geplanten, aber nicht mehr gespielten Konzert von Kreiten. Oliver Hilmes las Passagen aus seinem Buch und stellte sich den Fragen von Daniel Kaiser (NDR 90,3).
Karlrobert Kreiten hatte recht, dass der Krieg bereits 1943 verloren war, die Niederlage bei Stalingrad war nur ein Grund. Hilmes erklärte, dass die Nazis gerade deshalb ab 1943 mit zunehmender Härte gegen Kritikerinnen und Kritiker vorgingen. Während Kreiten und andere ermordet wurden, inszenierten die Nazis auch eine Art „kulturelle Betäubungsmaschinierie“, Schlager wie „Capri Fischer“ von Rudi Schuricke, Filme wie „Münchhausen“ mit Hans Albers kamen 1943 heraus und sollten die Bevölkerung ablenken.
Karlrobert Kreiten: Werner Höfer hatte seine Hinrichtung gerechtfertigt
Moderator Daniel Kaiser stellte engagiert, manchmal auch ein bisschen hektisch, die richtigen Fragen. Etwa danach, was mit den Denunzianten (eine weitere Frau war beteiligt) von Kreiten nach dem Krieg passierte. Die Antwort: Eine überlebte unbescholten den Pianisten um Jahrzehnte. Außerdem fällt der Name Werner Höfer. Der legendäre Fernsehjournalist („Internationaler Frühschoppen“) schrieb 1943 eine Kolumne, in der er die Hinrichtung Kreitens rechtfertigte.
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Zwischen Gespräch und Lesung spielte der Pianist Florian Heinisch Auszüge aus Kreitens geplantem Konzert, unter anderem eine Chopin-Etüde, Liszts Spanische Rhapsodie und Beethovens Appassionata – mit wunderbarer Klarheit, facettenreichem Anschlag und Ausdrucksstärke. Das letzte Wort gebührte aber Karlrobert Kreiten selbst. Moderator Daniel Kaiser hatte – lobenswert! – eine Aufnahme von 1934 ausgegraben: einen Chopin-Mitschnitt, bei dem auch Kreitens Stimme zu hören war.