Hamburg. Manchmal war es, als wolle sie das Klavier umarmen: Pianistin Anna Vinnitskaya wurde beim Konzert mit dem NDR Orchester gefeiert.

Zwei der anspruchsvollen Klavierkonzerte von Sergej Rachmaninow an drei aufeinanderfolgenden Tagen zu spielen, ist für jeden Pianisten eine enorme Herausforderung.

Die in Hamburg lebende russische Pianistin Anna Vinnitskaya wagte es mit dem Klavierkonzert Nr. 4 am Donnerstag und gleich am darauffolgenden Tag mit dem Klavierkonzert Nr. 2 in der Elbphilharmonie und wiederholt das letztgenannte Konzert am Sonnabend auch noch in der Wunderino Arena Kiel zusammen mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Juraj Valčuha.

Elbphilharmonie Hamburg: Was Anna Vinnitskaya zauberte, war einfach begeisternd

Ein wenig trat sie mit dieser Serie in die Fußstapfen ihres großen Landsmanns Rachmaninow, der in den 1920er-Jahren zuweilen 75 Soloauftritte in nur vier Monaten auf seinen Konzertreisen zu geben pflegte. Dass der Pianist, der sich seine Stücke praktischerweise gleich selber komponierte, da er über Schmerzen in seinen Händen klagte, hatte er sich allerdings selbst zuzuschreiben, sind seine Werke doch höllisch schwer zu spielen.

Was Anna Vinnitskaya, die alle Klavierkonzerte Rachmaninows im Repertoire hat und anlässlich seines 150. Geburtstagsjubiläum in Norddeutschland zur Aufführung bringt, am Donnerstag da auf die Tasten zauberte, war einfach begeisternd.

Hamburg: Es war eine musikalische Liebeserklärung an das Klavier

Im 4. Klavierkonzert hatte sie bis auf wenige Ausnahmen fast durchgängig zu spielen. Nach kurzen, sich aufbauenden Akkorden im Orchester, die binnen Sekunden immer lauter wurden, setzte sie mit aberwitzigen Kaskaden an, die Splitter des Themenmaterials aufgriffen und variierten.

Mit teilweise wild angeschlagenen, vollgriffigen Passagen setzte sie sich immer wieder gegen das riesig besetzte Orchester inklusive vier Hörnern, Basstuba und drei Posaunen im Blech durch.

Und der slowakische Dirigent Juraj Valčuha, der seit vergangenem Jahr Music Director des Houston Symphony Orchestra ist, baute stets Brücken für die Soli und ließ das Orchester gleich wieder in den Hintergrund treten, wenn Vinnitskaya zu sanfteren Stellen überging.

Nach einem rasanten Schluss des Allegro vivace breitete Vinnitskaya die Arme aus, als wolle sie den Flügel umarmen. Für eine musikalische Liebeserklärung an dieses Instrument sorgte Rachmaninow im nachfolgenden langsamen Satz dann aber gleich selbst mit einem breiten kantablen Thema im Klavier.

In rasenden Läufen flitzten Vinnitskayas Finger durch die Oktaven

Im Finale ließ die Pianisten mit teils überkreuz gelegten Händen ihre Finger in rasenden Läufen von der obersten bis untersten Oktave flitzen. Nach dem für Rachmaninows Klavierkonzerte so typischen pathetischen Schluss, spielte sie einen von Dmitri Schostakowitschs „Puppentänzen“ als Zugabe, der in seiner Schlichtheit eigentlich kaum in das Umfeld dieses Konzertabends passen wollte.

Mit Sergej Prokofjews Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100, die der Komponist dem „Triumph des menschlichen Geistes“ gewidmet hatte, ging es dann nämlich noch mal ordentlich zur Sache. Das Ende des Kopfsatzes war so bombastisch, dass sehr zum Kummer des NDR-Tonmeisters, der das Konzert ja live mitschneiden wollte, ein Zwischenapplaus losbrach.

Valčuha arbeitete die vielen Schärfen etwa im grotesken Allegro marcato lustvoll heraus und ließ die Basstuba, die wohl in keinem anderen sinfonischen Werk so viel zu tun hat wie hier, markant hervortreten. Schön kamen die motorischen Tonrepetitionen im Finale, die den aus disparaten Elementen gebauten Satz bis zu seinem wuchtigen Ende immer wieder anheizten.