Hamburg. Songwriter-Pop aus Ludwigshafen am Rhein: Gringo Mayers „Ihr liewe Leit“ ist der Hit. Und Slowdive sind besser denn je.

Nach seinem ersten Mundart-Album „Nimmi normal“, das Ende 2021 erschien, gab der Musiker Gringo Mayer ein Interview, in dem er gut gelaunt erzählte, dass er seine Platten und CDs tatsächlich in viele Bundesländer verschicken dürfe. Angenommen, man kennte seine Songs nicht; dann fiele einem lediglich die Frage ein, ja, warum denn eigentlich nicht?

Nun, man versteht den Herrn halt nicht überall. Darüber macht er sich keine Illusionen. Gringo Mayer sagte dann auch, er glaube, die Besteller seien alles Exil-Pfälzer und Exil-Kurpfälzer. So wird es wohl sein, und das mag auch Beleg sein für das mögliche Dilemma des Songwriters. Nennen wir es die Dialektik des Dialekts, die Begrenzung des regionalen Sprachgebrauchs, der sich ein Alemannisch-Aficionado wie der 34-Jährige ausliefert. Er hat ein Alleinstellungsmerkmal, er macht Musik für Muttersprachler, schließt aber damit den allgemeinen Mainstream aus.

„Ihr liewe Leit“, zu Deutsch: „Ihr lieben Leute“ – so heißt das neue Album des Ludwigshafeners Gringo Mayer.
„Ihr liewe Leit“, zu Deutsch: „Ihr lieben Leute“ – so heißt das neue Album des Ludwigshafeners Gringo Mayer.

Gringo Mayer: Ein Mann der Pfalz, dem seine Sprache in die Wiege gelegt wurde

Jetzt erscheint Gringo Mayers zweites Album „Ihr liewe Leit“ (Olwer Records). Es ist so weise, lustig und gut geschrieben wie der Vorgänger, es ist philosophisch, wenn man will; in jedem Fall hat es Hits – nach Kurpfalz-Indiesoul-Songwriter-Pop-Maßstäben. Was man sagen muss: Das pfälzische Idiom, das dem in der Helmut-Kohl-Stadt Ludwigshafen geborenen Mayer in die Wiege gelegt wurde, hat nicht den besten Ruf. Und kann mit populären Dialekten wie dem Bayerischen nicht mithalten, ja wohl nicht mal mit dem Hessischen.

Mayer macht aber mit dem Rhythmus seiner Sprache, die alles, aber kein Deutsch ist, und deren Spracheigenheiten, den Redewendungen ziemlich viel: Songs und Pfälzisch verschmelzen zu etwas Organischem, man kann es nicht anders sagen. Ja, das sind warmherzige Alltagsbetrachtungen („Äni rache“, „Oh Jesses“) hier, eine Hymne auf die Einsiedelei („Alläää“) ist auch dabei.

Einer, der laut den kapitalistischen Mond anheult

Und laut den kapitalistischen Mond anheulen („Des is brudal“) kann Gringo Mayer auch: „Des ist brudal/Wer soll des bezahle/Des kännen die meischde doch nimmi bezahle/Alles Geld der Welt/Is verteilt uff zwee Prozent Subareiche“. Das versteht mindestens im Herzen jeder, auch dank der Dylan-Mundharmonika.

Man versteht, warum Gringo Mayer zuletzt Supportshows für Kettcar und Thees Uhlmann gespielt hat. Der kann was.

Vom Pfälzischen zur Lingua franca: Die große, gewaltige sogenannte „Shoegaze“-Band Slowdive, die in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre mit drei Alben Legendenstatus erreichte, ist im Englischen unterwegs. Ob sie immer noch auf ihre Latschen starren, wenn sie ihre Songs spielen? Keine Ahnung. Ist auch eher unwichtig. Wichtig ist, dass sich die Band um Neil Halstead und Rachel Goswell 2014 nach zwei Jahrzehnten Pause revitalisierte. Das Comebackalbum „Slowdive“ war 2017 ein makelloses Werk zwischen Indierock und Dreampop, ein Powerpop-infizierter Trip nach Psychedelien.

Das Albumcover von „Everything Is Alive“.
Das Albumcover von „Everything Is Alive“. © Dead Oceans

Shoegaze-Götter Slowdive: Treibender waren ihre Songs nie

Und jetzt kommt’s: Das neue Album „Everything Is Alive“ (Dead Oceans) ist tatsächlich noch besser. Dieses ganze tolle Zeug, Gitarren mit viel Hall und Synthesizer, dazu Goswells und Halsteads hypnotischen Gesang, gibt es immer noch. Aber nie waren die, wie soll es anders sein, älter gewordenen Musiker so konzis wie heute. Acht Stücke lang ist dieses Album, jedes von ihnen ist ein Treffer. Drängender als bei „Shanty“ und „Alife“ oder „The Slab“ war Slowdive vermutlich nie. Die Songs sind antreibend, sie gehen nicht vom Gas. Bessere Melodien („Kisses“) hatte die Band bislang auch nicht.

„Andalucia Plays“ nimmt das Tempo dann doch einmal raus, aber es ist doch das Energiereservoir des mittleren Alters, das hier voll ausgeschöpft wird. Aus der Reihe „Peinliche Kritikersätze“: Jüngere Bands können vom Druck, den dieses erstaunliche Album entfaltet, nur träumen. Ist so. Platte des Jahres, vielleicht.