Hamburg. Ein jordanischer Film eröffnet die 31. Ausgabe, die die letzte des scheidenden Filmfest-Chefs ist. Mit dabei: Venedig-Prominenz.

Es ist sein 21. und sein letztes Filmfest in Hamburg als Festivalchef, und wieder einmal haben Albert Wiederspiel und sein Team es geschafft, preisgekrönte Filme von den Festivals in Cannes, Venedig und Locarno frühzeitig nach Hamburg zu holen.

Im Falle der erst am Wochenende zu Ende gegangenen Filmfestspiele von Venedig wusste Wiederspiel nicht, dass Giorgos Lanthimos’ moderne Frankenstein-Variation „Poor Things“ den Goldenen Löwen gewinnen würde und auch nicht, dass Cailee Spaeny für ihre Rolle als Priscilla Presley in Sofia Coppolas Biopic über Elvis Presleys Frau den Darstellerinnenpreis bekommen würde.

Aber Wiederspiels Gespür für die wichtigen Filme und für relevante Themen war schon immer enorm. „Wir erleben eine Festival-Renaissance mit dem Wunsch des Publikums nach einem kuratierten Programm. Kinos und Streamingdienste kuratieren nicht, aber wir tun es“, sagte er bei seiner letzten Pressekonferenz im Instituto Cervantes im Chilehaus.

Filmfest Hamburg: Ein jordanischer Film macht den Auftakt

Am 28. September startet das Filmfest Hamburg mit dem jordanischen Film „Inshallah A Boy“, der von einer Witwe handelt, die wegen der patriarchalen Justiz in Jordanien droht, ihre Wohnung und ihre Tochter zu verlieren. Bis zum 7. Oktober laufen dann in acht Kinos 132 Filme aus 48 Ländern in zehn verschiedenen Reihen.

Zu 93 dieser Filme werden Gäste erwartet, darunter der dänische Schauspieler Mads Mikkelsen, der mit dem historischen Film „King’s Land“ von Nikolaj Arcel an die Elbe kommt.

Eine Ausnahmeerscheinung auf deutschen Bühnen und in Film und Fernsehen ist Sandra Hüller. Sie wird am 30. September mit dem Douglas-Sirk-Preis ausgezeichnet. Nach Nina Hoss ist sie erst die zweite deutsche Schauspielerin, der diese Ehrung zuteil wird. Gleich mit zwei Filmen dominierte Hüller die diesjährigen Filmfestspiele von Cannes.

In „Zone Of Interest“ spielt sie die Frau des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß, in „Anatomie eines Falles“ eine Schriftstellerin, die des Mordes an ihrem Mann angeklagt ist. Justine Triets Justizdrama gewann die Goldene Palme in Cannes, Hüller ist darin beim Filmfest zu sehen.

Filmfest Hamburg: 2023 sind Ken Loach und Richard Linklater dabei

„Die Welt mit anderen Augen sehen“ lautet das diesjährige Motto des Filmfests Hamburg. Kathrin Kohlstedde, seit Jahren Wiederspiels wichtigste Kuratorin, nannte einige Kriterien bei der Auswahl der Filme. Filmemacher sollten eine eigene Handschrift besitzen und ästhetisch anspruchsvolle Werke abliefern, ihre Themen müssen gesellschaftliche Relevanz haben und den Zuschauer ernst nehmen.

Kohlstedde erwähnte eine Reihe von hochkarätigen Filmschaffenden, die ihre aktuellen Arbeiten immer wieder in Hamburg gezeigt haben und auch 2023 dabei sein werden: Ken Loach, Richard Linklater, Nuri Bilge Ceylan, Xavier Dolan, Ryūsuke Hamaguchi, Isabel Coixet, Todd Haynes und Catherine Breillat. Die internationalen Reihen zeigen aktuelles Kino aus Nordamerika, Asien – in diesem Jahr mit dem Schwerpunkt Japan – sowie Werke in französischer und spanischer Sprache.

Auch deutsche Film- und Fernsehproduktionen sind wie jedes Jahr stark vertreten. Gleich zwei Filme stellt Wim Wenders vor. „Perfect Days“ läuft dabei in der Asia-Reihe, denn Wenders, 2017 Douglas-Sirk-Preisträger, ist für seine poetische Weltbetrachtung nach Japan gereist. Mit Dominik Graf, Niki Stein und Bjarne Mädel kommen weitere erstklassige Regisseure mit neuen Filmen nach Hamburg.

Kirsten Boie und Robert Habeck stehen im Filmfest-Programm

Wie immer zeigt auch Lars Becker mit „Der Millionenraub“ eine neue Fernseharbeit vorab im Kino. Große Aufmerksamkeit verdient auch Andreas Prochaskas „Die Flut – Tod am Deich“. Es ist die Verfilmung von „Hauke Haiens Tod“, einer Adaption von Storms „Der Schimmelreiter“, die Wirtschaftsminister Robert Habeck zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch 2001 veröffentlicht hat.

Albert Wiederspiel, Leiter des Filmfests Hamburg, und seine ab 2024 wirkende Nachfolgerin Malika Rabahallah (r.), posieren nach der Pressekonferenz zur 31. Ausgabe der Filmfestspiele.
Albert Wiederspiel, Leiter des Filmfests Hamburg, und seine ab 2024 wirkende Nachfolgerin Malika Rabahallah (r.), posieren nach der Pressekonferenz zur 31. Ausgabe der Filmfestspiele. © dpa | Christian Charisius

Eine lange Tradition hat auch das Michel Kinder- und Jugend-Filmfest. Zwölf Filme und Serien werden gezeigt, darunter auch „Thabo – Das Nashorn-Abenteuer“, basierend auf dem Kinderbuch von Kirsten Boie.

„Es reicht heute nicht mehr, bei einem Festival nur Filme zu zeigen“, sagte Wiederspiel. Begegnungen seinen wichtig ebenso wie die zahlreichen Gäste.

Deshalb wird es wieder eine Filmfest-Bar in den „Kasematten 20“ (Alsterglacis 20), das MOIN Filmfest Café im Cinemaxx Dammtor und fünf Ausflüge des Festivals in Stadtteilkinos in Bergedorf, Blankenese, Ottensen, Winterhude und Volksdorf geben.

Wenn Wiederspiel ins Schwärmen angesichts des vielseitigen Programm kommt, ist er kaum zu stoppen. Seine Abschiedsworte bei der Pressekonferenz waren dagegen ungewohnt zurückhaltend. „20 Filmfeste wollte ich machen, 21 sind es geworden“, sagte er, „schön war’s, wirklich.“

Der Vorverkauf startet am 14.9., Festival-Pass 120 Euro. Programm und Infos unter www.filmfesthamburg.de